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Immer vergeben?

Immer vergeben?
Jesus sprach: „...Wenn dein Bruder sündigt, so halte es ihm vor; und wenn es ihn reut, vergib ihm.“ Lk. 17, 3

Ab und zu bin ich baff. Da wird eine Frau, die vom Ehemann verprügelt wurde und um ihr Leben fürchten musste, Christ und bekommt daraufhin von anderen Christen gleich vorgeschrieben: „Jetzt musst du aber vergeben!“ Ihr Ex-Mann hatte aber seine gewalttätigen Ausfälle weder bereut noch um Vergebung gebeten. 
Andere erleben schwerstes Leid. Wenn etwa das eigene Kind ermordet wurde. Mich wundert, wenn die Eltern vor laufenden Kameras sagen, dass sie dem Mörder ihres Kindes vergeben haben. Es gab aber kein Gespräch mit dem Mörder und Reue war bei ihm auch nicht zu finden. Jesus meint: Die Vorraussetzung für Vergebung ist, dass der Schuldige seine Schuld bereut und bekennt. Das zeigt Jesus zudem in der Geschichte vom verlorenen Sohn (Lk 15,21) und im Gleichnis vom Schalksknecht (Mt 18, 21-35). Jesus hat auch nicht, als er oben am Kreuz hing den Soldaten unterm Kreuz vergeben. Er hat zu Gott für seine Feinde gebetet „Vater vergib ihnen...“.

Eine andere Sache ist, ob ein Christ vergebungsbereit ist - auch wenn der Täter keine Reue zeigt. Bis zur Vergebungsbereitschaft ist es zum Beispiel für Vergewaltigte und Eltern, denen das Kind ermordet wurde ein langer und steiniger Weg. Wer aber dort ankommt und diese schwere Last unters Kreuz bringt, muss nicht verbittern - auch wenn Vergebung vielleicht nie zustande kommt.
Und so ein Menschenkind kann dann getrost beten „...wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ - auch dann, wenn der Sünder nicht bereut und Vergebung nicht stattgefunden hat.
Lutz Scheufler