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September

Ja, mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt; darum habe ich dir meine Güte bewahrt                                                                                                                                                                                                         Jeremia  31, 3

Lieber gläubiger Leser,

was ist das für eine Liebeserklärung! Vielleicht wünscht sich so mancher von uns, so etwas ähnliches von seinen Eltern, von seinem Partner oder auch von seinen Kindern zu hören oder wenigstens durch eine entsprechende Geste vermittelt zu bekommen. Wir Menschen sind einfach darauf angewiesen, Anerkennung und Zuwendung zu erhalten und es bedarf nicht erst der Erkenntnisse der Psychologie, um zu begreifen, dass viele aktuelle Probleme im Kleinen wie im Großen mit einem Defizit an Liebe und Anerkennung zu tun haben.

Allerdings ist es nicht mit großen Worten getan, denn was ist nicht gerade in dieser Hinsicht schon alles versprochen worden, nicht nur im Zustand des Verliebtseins, sondern auch sonst in verschiedenen Situationen. Und so manche große Liebe, die wenn schon nicht ewig, aber doch wenigstens ein Leben lang halten sollte, ging schon nach kurzer Zeit in die Brüche. Ganz zu schweigen von den Menschen, die das Liebesbedürfnis anderer für ihre niedrigen Zwecke ausnützen. Es ist schon Skepsis angebracht und ehrlich gesagt, würden auch bei mir die Alarmglocken läuten, wenn jemand „ewige Liebe“ schwören würde.

Da ich sowieso kein Mann großer Worte bin und auch um meine eigenen Unzulänglichkeiten weiß, war ich sehr vorsichtig, vielleicht zu vorsichtig, anderen meine Zuneigung zu bekunden.

In gewisser Weise gilt das ja auch für unseren Umgang miteinander in der Gemeinde, und da können wir sehr schnell einander etwas schuldig bleiben.

Auch in dieser Hinsicht ist Gott ganz anders. Er scheut sich nicht vor großen Worten und lässt immer wieder in sein Herz schauen. Er ist auch der einzige, der das Wort „ewig“ in den Mund nehmen darf, weil Er schon immer war und immer sein wird. Und Er ist der einzige, der in der Lage ist, seine Versprechen zu halten und hat das in vielfältiger Weise unter Beweis gestellt. Deshalb heißt es in Ps. 33, 4: „Denn des Herrn Wort ist wahrhaftig, und was er zusagt, das hält er gewiss.“ (Luther-Übers.).

Was mich allerdings verwundert, ist der Zeitpunkt, an dem Gott diese Liebeserklärung durch seinen Propheten weitergeben lässt.

Es ist der dunkelste Abschnitt in der Geschichte des Volkes Gottes. Nachdem bereits vor über 100 Jahren die Bewohner des Nordreiches wegen ihrer vielen götzendienerischen Könige und des Ungehorsams des ganzen Volkes in die assyrische Gefangenschaft weggeführt wurden, musste Gott nun auch am Südreich Juda die schlimmsten Gerichte ausführen: Deportation des Großteils des Volkes nach Babylon, und die diesem Schicksal zu entgehen versuchten, wurden durch Hunger und Pest dezimiert. Sogar dem übriggebliebenen Rest musste Gott noch Gericht ankündigen, weil sie entgegen den Zusagen Gottes ihr Heil in der Flucht nach Ägypten suchten (lies Jer. 39-42).

Und da mittendrin solch eine Liebeserklärung, ist das zu begreifen? Nein, ich begreife es jedenfalls nicht! Ja, so unbegreiflich ist Gott in seiner Liebe zu uns Menschen, die aber ihren Ursprung nicht in unseren Qualitäten, sondern in Seinem Erbarmen hat (Jer. 31, 18–20).

O, jetzt merke ich gerade, dass ich von „uns“ gesprochen habe. Dürfen wir aber solch ein Wort einfach auf uns anwenden? Eigentlich nicht, denn es ist ja aus dem Zusammenhang deutlich geworden, dass dieses Wort an bestimmte Menschen in einer konkreten Situation gesagt wurde. Vor allem dürften wir uns dann nicht nur die positiven Aussagen zueigen machen, sondern müssten uns ebenso unter das vernichtende Urteil Gottes stellen.

Aber weil das nicht nur eine anrührende Episode ist, sondern die Wesensart Gottes widerspiegelt, wiederholt sich das Ganze im Neuen Testament noch viel eindrücklicher und umfassender für alle Menschen. Allerdings steht auch hier am Anfang das unausweichliche Urteil Gottes: 

„Da ist kein Gerechter, auch nicht einer; da ist keiner, der verständig sei; da ist keiner der Gott suche. Alle sind abgewichen, sie sind allesamt untauglich geworden; da ist keiner, der Gutes tue, da ist auch nicht einer.“ (Rö. 3, 10-12) und „Der Lohn der Sünde ist der Tod“. (Rö. 6, 23)

Dem gegenüber steht aber eine Vielzahl von Liebeserklärungen und Liebesbeweisen Gottes, von denen ich nur einige neu ins Gedächtnis rufen will:

„Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.“ (Joh. 3, 16)

„Gott erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus, als wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist.“ (Rö. 5, 8).

„Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben..... uns zu scheiden vermögen wird von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserem Herrn.“ (Rö. 8, 38-39)

„Seht, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat, dass wir Kinder Gottes heißen sollen, und wir sind es!“ (1. Joh. 3, 1)

„Hierin ist die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als eine Sühnung für unsere Sünden.“ (1. Joh. 4, 10)

Ihr dürft diese Aufzählung gerne weiter ergänzen. Ich möchte zum Abschluss nur noch auf einen Aspekt hinweisen, der mir auch für unsere menschlichen Beziehungen wichtig zu sein scheint: Liebe ist also nicht in erster Linie ein Gefühl, das zudem noch vom Wohlverhalten des anderen abhängt, sondern  ein Willensentschluss zur Hingabe und zur Treue.

Freuen wir uns also neu darüber, dass Gott so viel an uns liegt, aber nehmen wir uns auch einander immer wieder in seiner Liebe an.

Euer Bruder

Karl- Heinz Pohle