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Liebe gläubigen Leser,
vielleicht ist es Euch auch schon mal so gegangen, dass ein Bibelwort, das auf den ersten Blick gar nicht so dramatisch aussieht, uns plötzlich ganz persönlich trifft und man nicht weiß, was man dazu sagen soll. So ist es mir jedenfalls mit diesem Wort passiert, und ich habe es auch noch nicht bis ins letzte verarbeitet. Am liebsten möchte ich über etwas anderes reden, denn wenn ich etwas hierzu sage, wird das sehr persönlich und wenig schmeichelhaft für mich sein.
„Aber das ist doch eigentlich ein frohmachendes Wort“, wirst Du sagen. Ja, das stimmt. Was für eine erstaunliche Verwandlung ist mit den Jüngern vor sich gegangen. Die, die bei der Hinrichtung ihres HERRN aus Existenzangst und Enttäuschung in alle Himmelsrichtungen davongerannt waren und sich noch wochenlang hinter sicheren Türen verschanzt hatten, treten plötzlich an die Öffentlichkeit und scheuen keine klaren Worte. Nein, sie hatten diese Auseinandersetzung nicht unbedingt gesucht, sondern sie war eine Folge ihres vollmächtigen Handelns im Namen Jesu. Nun beziehen sie Position und nehmen auch die Folgen in Kauf. Ob das ohne jedes Herzklopfen abgegangen ist, wird uns nicht berichtet, aber in ihrer Antwort ist davon nichts zu merken: Es ist uns unmöglich, nicht von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben.
Und genau das ist der Punkt, der mich so betroffen gemacht hat, weil ich das von mir so nicht behaupten kann. Wie oft habe ich es in meinem Christsein fertiggebracht, zu schweigen, wo ein klares Zeugnis nötig gewesen wäre und wenn ich etwas gesagt habe, wie viele Male war es ein Stammeln und hat mich Überwindung gekostet. Warum ist das für mich keine so positive „Unmöglichkeit“ wie für die Jünger damals? War die Hinwendung zu Jesus Christus nicht radikal genug? Habe ich die Bedeutung des stellvertretenden Opfers Jesu noch nicht richtig begriffen? Fehlt mir die Retterliebe, die mich zu den anderen treibt und mich einfach nicht schweigen lässt? Das sind Fragen, die einem da kommen und die ich mir gerade auch im Zusammenhang mit „Pro Christ“ gestellt habe. Sicher kann man unter-schiedliche Meinungen zu Formen und Verhältnis von Aufwand und Nutzen bei solchen Großveran-staltungen haben, und ich habe mich leider auch zu sehr zurückgehalten, weil das für mich eine Nummer zu groß schien. Aber wenn man gesehen hat, wie viele Menschen sich bei den nicht unbedingt idealen Voraussetzungen einer Stadt wie Chemnitz haben ansprechen lassen, dann ist die Frage nach dem eigenen Einsatz schon berechtigt. In dem Wegweiser, der an die Neubekehrten für die Nacharbeit ausgegeben wurde, waren viele Adressen von Gemeinden aus Chemnitz und Umgebung angegeben. Wir können nur darum bitten, dass der HERR uns immer wieder Menschen zuführt, wie er es gnädigerweise schon oft getan hat.
Und wir können uns selber neu vom Herrn erfüllen und beauftragen lassen. Auch wenn ich wie Ihr glaube, dass wir bei Bekehrung und Wiedergeburt mit dem Heiligen Geist versiegelt worden sind, darf man doch um eine stärkere Wirksamkeit des Geistes in unserem Leben bitten. In Lukas 11,13 macht der HERR seinen Jüngern jedenfalls dazu Mut.
Manchmal kann das aber auch bedeuten, dass der Herr Jesus uns auf Hindernisse für sein Wirken in unserem eigenen Leben aufmerksam macht, die seinem Handeln im Wege stehen, und wir müssen diese erst bereinigen oder ausräumen, wenn sich etwas zum Positiven ändern soll. Wenn uns solch ein Wort trifft, dann sollten wir uns nicht zu schnell selbst beschwichtigen. Ich habe dann oft auch sehr schnell Begründungen zur Hand, wie etwa: „Mir fällt das Reden ja auch sonst schwer“, oder „Ich darf doch nicht einfach so in die Privatsphäre des anderen eindringen“, oder „Jetzt ist nicht gerade eine günstige Gelegenheit“ oder „Im Moment geht es mir selber nicht besonders gut“. Das alles mag eine gewisse Berechtigung haben, aber dem gegenüber steht der Auftrag des HERRN, seine Zeugen zu sein (Apg. 1, 8) und es ist die Frage, wovon wir uns mehr bestimmen lassen.
Und noch eins hat mich nachdenklich gemacht: Die Jünger sagten weiter, was sie gesehen und gehört hatten. Sie hatten Jesus Christus ja auch 3 Jahre lang hautnah erlebt. In dieser Weise können wir das sicher nicht. Aber vielleicht sollten wir wieder stärker von den persönlichen Glaubenserfahrungen im Alltag sprechen. Ich will das nicht gegen eine gesunde Lehre ausspielen, die ohne Zweifel wichtig ist, aber gerade Außenstehenden gegenüber ist ein persönliches Zeugnis oft hilfreicher als gut formulierte Glaubenssätze. Ich meine damit nicht die krampfhafte Suche nach dem Besonderen in unserem Leben, sondern das Entdecken der Spuren des Handelns Gottes in meinem und im Leben der anderen. Und dabei können und sollten wir einander behilflich sein.
Liebe Leser, entschuldigt, wenn es eher ein nachdenklicher als ein mutmachender Brief geworden ist, aber mein Wunsch ist, dass er uns trotzdem weiter hilft. In diesem Sinne grüße ich Euch heute herzlich,
Euer
Karl- Heinz Pohle