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Februar

 

Die Armen werden niemals ganz aus deinem Land verschwinden. Darum mache ich dir zur Pflicht: Du sollst deinem Not leidenden und armen Bruder, der in deinem Land lebt, deine Hand öffnen.

                                                                                                              5. Mose 15, 11


Lieber gläubiger Leser,

es ist nicht so sehr das Thema an sich, das mich stutzig macht, denn dass sich unser Gott mit beson- derer Liebe und Fürsorge um die Benachteiligten und Schwachen kümmert, gehört zu Seinem Wesen und wir haben das schon öfter in unterschiedlicher Weise thematisiert. Aber es ist schon eigenartig, in welche Situation hinein hier dieses Wort gesagt wird: Da steht das Volk Israel im Begriff, in das ver- heißene Land hinein zu ziehen, in dem ja sprichwörtlich Milch und Honig fließen sollten, und nun diese Aussage. Wie passt das zusammen? Hat sich dafür die ganze Strapaze gelohnt und hatten nicht die Recht, die anfangs schon umkehren wollten?

Solche und ähnliche Fragen können auch bei uns aufkommen, wenn wir von irgendetwas oder irgend jemand enttäuscht sind oder das Handeln Gottes nicht bis ins Letzte verstehen. Wie gehen wir mit solchen Enttäuschungen oder vermeintlichen Widersprüchen um? Es scheint ja wirklich ein Wider-spruch zu sein, wenn im Vers 4 des gleichen Kapitels gesagt wird, dass es eigentlich gar keine Armen in diesem Lande zu geben braucht. Aber das ist eben an bestimmte Bedingungen geknüpft, nämlich die guten Vorgaben Gottes zu beachten.

Im Kapitel 28 wird ein wunderbares Bild eines Lebens unter dem Segen Gottes entworfen, das alle Bereiche menschlicher Existenz umfasst, vom persönlichen Wohlergehen bis hin zum Zusammenleben der Völker. Gott verschweigt aber auch nicht, was dann geschieht, wenn der Mensch sich, aus welchen Gründen auch immer, von Gott abkoppelt und in eigener Regie sein Leben zu meistern versucht. Das kann nicht gelingen, weil der Mensch als Gegenüber für Gott geschaffen ist und nur in Ihm seiner Be- stimmung voll gerecht werden kann. Das war nicht nur das Problem damals, sondern ist das Haupt-problem bis heute geblieben.

Es liegt mir fern, den Menschen madig zu machen. Im Gegenteil, ich staune immer wieder, wozu der Mensch im guten Sinne in der Lage ist, sei es in der Medizin, in der Forschung, in der Raumfahrt, in der Kunst. Man könnte noch viele Bereiche nennen. Das ist einfach die Berufung und die Würde, die Gott selber dem Menschen verliehen hat. Aber es gibt eben auch eine Kehrseite, die man nicht verschwei- gen kann, weil sie zu offensichtlich ist. Wir Menschen haben zu lange gemeint, alles im Griff zu haben und dabei nicht gemerkt, dass das nicht einmal im Blick auf unser eigenes Leben stimmt, geschweige denn bei den „Weltproblemen“.

Nun ist es unser großes Glück, das Gott das menschliche Herz wie kein anderer kennt, denn ER ist unser Schöpfer. Und weil das so ist, hat ER von Anfang an in seiner Barmherzigkeit und Liebe immer wieder einen „Plan B“ vorgesehen. Hier bestand dieser konkret darin, dass wenn Not und Armut schon nicht zu verhindern sind, ER die Israeliten in die Verantwortung zur Fürsorge und Nächstenliebe für- einander gestellt hat. Vielleicht ist das auch der tiefere Sinn von sonst für uns unverständlichen Kata- strophen, wie wir sie gerade wieder in unseren Tagen erleben, aber auch so mancher Not und Anfech- tung im heutigen Volk Gottes oder im persönlichen Leben. Es mag ja wirklich so etwas, wie das „Gesetz des Stärkeren“ in der Natur geben, aber ich glaube nicht, dass das gottgewollt ist, denn ER hat es vor allem im Neuen Bund ins Gegenteil verkehrt. Sein eigentlicher „Plan B“ bestand doch gerade darin, dass der, der reich war, um unsertwillen arm wurde, damit wir durch Seine Armut reich würden (2. Kor. 8, 9). Und damit ist ganz gewiss nicht nur die materielle Seite gemeint, sondern auch die Mängel in den Beziehungen zueinander und unser gestörtes Verhältnis zu Gott. Dafür ist Jesus Christus stellvertretend am Kreuz gestorben und hat jede Schuld beglichen. Das mag banal klingen, vor allem weil wir es so oft wiederholen müssen, aber es ist die entscheidende Hilfe.

Damals bestand die Hilfe darin, dass der Israelit nach sieben Jahren auf seine berechtigten Forde-rungen gegenüber seinem in Schuld geratenen „Bruder“ verzichtete und ihm so die Chance zu einem Neuanfang ermöglichte. Ich staune, dass etwas von diesem Gedankengut bis in die moderne Gesetz-gebung erhalten geblieben ist, wenn wir an den Schuldenerlass für besonders gebeutelte arme Länder, aber auch an die sogenannte „Privatinsolvenz“ denken. Natürlich kann man da unterschiedlicher Mei- nung sein, weil auch hier Missbrauch möglich ist, aber eine große Chance zu einem Neubeginn ist es auf jeden Fall.

Es ist gut, dass es in unserem Lande ein soziales Netz gibt, aber das sollte uns als Gemeinde Jesu und als einzelne Gläubige nicht davon abhalten, nach dem anderen zu sehen, nach seinen Bedürfnis- sen zu fragen und mit unseren Möglichkeiten für ihn einzustehen. Denn Gott will, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1. Tim.2, 4 nach der Lutherübersetzung).

Ich wünsche Ihnen für den neuen Monat ein weites Herz und Gottes Segen,

Ihr

Karl- Heinz Pohle