Sie sind hier: Archiv / Herrnhuter Monats-Losungen / 2010 / Januar
Lieber gläubiger Leser,
in unserem Text vom März 2009 ging es um eine ähnliche Aufforderung, die der Herr Jesus in Matthäus 22, 37-40 mit unserem heutigen Wort auf eine Stufe stellt. Deshalb gilt vieles, was dort im Blick auf den Nächsten gesagt wurde, erst recht für unser Verhältnis zu Gott. Aber wenn es uns schon schwer fällt, dieses Liebesgebot an unserem Nächsten auszuleben, den wir ja sehen und erleben können, ist es da nicht ungleich schwieriger, eine lebendige Beziehung zu dem unsichtbaren, heiligen Gott aufzubauen und zu erhalten?
Verstandesmäßig mag das ja ganz gut gelingen, aber so mit allen Fasern des Herzens und mit allen Gefühlen, haben wir da nicht alle so unsere Defizite? Gott will doch aber keine halben Sachen, das wird hier mit der dreifachen Aufzählung „ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzer Kraft“ deutlich. Was kann uns in diesem Dilemma helfen? Es mag wie eine Ausrede klingen, aber vielleicht liegt der erste Weg der Hilfe in diesem Einge- ständnis, dass wir das von uns aus gar nicht können. Das hat das Volk Israel nicht vermocht, trotz der vielen Wunder und Gnadenerweise Gottes und trotz der prakti- schen Hilfen, die Gott aufzeigte (V. 6 - 9) und die das Volk wortwörtlich umzusetzen versuchte, aber aus vielerlei Gründen immer wieder daran scheiterte. Warum gibt Gott dann aber solche Gebote, wenn von vornherein klar ist, dass wir es gar nicht schaffen, sie zu halten? Mit dieser Problematik setzt sich der Römerbrief auseinander, vor allem das 7. Kapitel, das ich jetzt aber nicht näher kommentieren will.
Nur so viel sei gesagt: Durch die Forderungen des Gesetzes sollte deutlich werden, wie heilsbedürftig der Mensch ist und wie sehr er auf das gnädige Entgegenkommen Gottes angewiesen ist. Das gilt speziell auch für unsere Liebe zu Gott, wie uns vor allem der 1. Johannesbrief aufzeigen will. Dort steht: „Hierin ist die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass Er uns geliebt und Seinen Sohn gesandt hat als eine Sühnung für unsere Sünden.“ (4, 10). Und weiter heißt es: „Wir lieben, weil Er uns zuerst geliebt hat.“ (4, 19). Das Tragende in unserer Beziehung zu Gott ist also nicht unsere Liebe zu Ihm, sondern Seine Liebe zu uns. Unsere Liebe ist auch kein Produkt eigener Anstrengungen, sondern Anteilhaben an dem Wesen Gottes, das uns mit der Wiedergeburt und der Gotteskindschaft verliehen wurde. (vergl. Röm. 5, 5).
Es wäre deshalb ein zu schwaches Motiv, wenn unser Verhalten und Handeln Gott gegenüber nur von der Angst bestimmt wäre, nicht Seinen Anforderungen zu ent- sprechen. Heißt das dann andererseits, dass ich für mein Verhältnis zu Gott gar nichts zu tun brauche?
Was würden wir von einer Liebesbeziehung halten, die nur von einer Seite aufrecht erhalten wird? Mit Recht erwartet man, dass beide Partner an ihrer Beziehung arbei- ten und etwas dafür einsetzen. Das erste wird sein, dass man heraus zu finden sucht, worüber der andere sich freut, welche Eigenschaften und Verhaltensweisen ihm an mir gefallen oder welche Wünsche er hat, die ich ihm erfüllen könnte. Je besser und länger man den anderen kennt, desto leichter wird das sein.
Was wünscht sich Gott von uns? Dass wir die guten Vorgaben für unser Leben, die Er in Seinem Wort niedergelegt hat, dankbar anerkennen und ausleben. Deshalb stellt Johannes erstaunlich nüchtern fest, dass wer Gott liebt, seine Gebote halten wird (1. Joh. 5, 3) und liegt damit auf einer Linie mit unserem heutigen alttestamentlichen Wort. Darum dürfen wir auch die praktischen Hinweise für den Umgang mit Seinem Wort, also das ständige Wiederholen und darüber Nachdenken, das Auswendiglernen und Niederschreiben und vor allem auch das Weitergeben an unsere Kinder und die Menschen, mit denen wir zusammen gestellt sind, durchaus auch für uns in Anspruch nehmen. Manch einem mögen dabei solche zeichenhafte Äußerlichkeiten wie beim Volk Israel hilfreich sein. Sie ersetzen aber nicht die persönliche Beziehung. Ein Zei- chen hat uns der Herr auf jeden Fall hinterlassen, von dem Er ausdrücklich sagt: „Dies tut zu meinem Gedächtnis!“ Im Mahl des Herrn soll uns die Größe des Heilspla- nes Gottes, Seine unfassbare Liebe zu uns Verlorenen und das stellvertretende Opfer Jesu mit allen seinen Facetten immer wieder vor Augen stehen. Zum einen, damit wir das niemals vergessen, zum andern, dass wir Ihn dafür loben und preisen. Das ist nämlich auch etwas, was Gott sich von uns wünscht (Joh. 4, 23).
Es gibt sicher noch viel mehr, worin unsere Liebe zu Gott zum Ausdruck kommen könnte. Ich möchte aber nur noch eins nennen, weil dieser Zusammenhang immer wieder herausgestellt wird und das auch der Ausgangspunkt für unsere heutigen Überlegungen war: Die Liebe zu Gott wird sichtbar und nachprüfbar in unserer Liebe zum Bruder und zum Nächsten allgemein (z. B. 1. Joh. 4, 7+8, 11+12, 20+21, Matthäus 25, 40).
Wir stehen am Beginn eines neuen Jahres. Viel Zeit, wenn sie uns der Herr schenkt, um uns in dieser Liebe einzuüben. Nicht um uns irgendetwas zu verdienen, sondern um das Herz Gottes zu berühren und Ihn zu erfreuen. In dieser Weise Euch allen ein gesegnetes Jahr 2010!
Euer
Karl- Heiz Pohle