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Juni

 

Sucht mich, und ihr werdet leben!

                                                            Prophet Amos 5, 4


Lieber gläubiger Leser,

können Sie mir zustimmen, dass das Suchen ein typisches menschliches Merkmal ist? Kein anderes Lebewesen ist davon so stark geprägt wie der Mensch. Das ist einerseits ein Ausdruck seines Strebens nach Vollkommenheit, denn wer sucht, zeigt, dass er in sich selbst nicht genug hat. Vielleicht spiegelt es auch seine Sehnsucht nach dem verloren gegangenen Paradies wieder. Andererseits ist Suchen auch ein Zeichen von Leben. Ich möchte sogar behaupten: Wer nicht mehr sucht, ist schon tot. Das klingt vielleicht etwas markig, aber ich empfinde es eher tröstlich für die vielen kleinen Alltagssituatio- nen, die uns mit zunehmendem Alter zu schaffen machen können. Wer hätte nicht schon mal verzweifelt nach einem Schlüssel, nach der Brille oder einem wichtigen Dokument gesucht? Ich habe bis heute nicht vergessen, dass ich als Kind einmal vergeblich nach einem Fünfzigpfennigstück gesucht habe, das ich auf dem Nachhauseweg vom Einkaufen verloren hatte.

Aber es gibt sicher viel dramatischere Situationen, wo vom Erfolg einer Suche buchstäblich das Leben abhängen kann. Ich denke da z. B. an die Suche nach Überlebenden bei den vielen Naturkatastrophen der letzten Zeit, den Erdbeben, den Überschwemmungen, den Schnee- oder Schlammlawinen. Oder denken wir an die weltweite Suche nach Organspendern für eine Transplantation oder nach einem Blutspender mit der richtigen Blutgruppe.

Im Grunde ist die gesamte Wissenschaft und speziell die Medizin ein Suchen nach wirksamen Mitteln und Verfahren, um Leben zu erhalten und zu verbessern. Bis zu einem gewissen Grad ist dies alles ja auch von dem sogenannten „Kulturbefehl“ Gottes abgedeckt, sich die Erde untertan zu machen, sie zu bebauen und zu bewahren und über die Tiere zu herrschen (1. Mose 1, 26-28 u. 2, 15). Kritisch wird es nur dort, wo sich der Mensch in Selbstüberschätzung Kompetenzen aneignet, die ihm nicht zustehen, oder er versucht, mit seinen Forschungen nachweisen zu wollen, dass es gar keines Schöpfer-Gottes bedurfte. Das heißt geradezu, den Ast abzusägen, auf dem man sitzt, und drastische Auswirkungen von einem solchen Lebenskonzept erleben wir gegenwärtig gerade verstärkt.

Aber leider ist diese Einstellung eine Art „Erbkrankheit“, sonst hätte der Prophet Amos nicht schon vor fast 2800 Jahren solche mahnenden Worte sprechen müssen. Dabei musste seine Botschaft wie ein Blitz aus heiterem Himmel wirken, denn das Nordreich Israel befand sich damals in der Regierungszeit Jerobeams II. in einer politischen und wirtschaftlichen Blütezeit. Aber auf sozialem, sittlichem und religiösem Gebiet herrschten schlimme Missstände, die letztlich ihre Ursache darin hatten, dass Gott und Seine guten Vorgaben keine große Rolle mehr spielten. Zwar gab es immer noch so etwas wie eine Volksfrömmigkeit (heute würde man es eher Spiritualität nennen), Kultstätten und Traditionen, aber das war eher als eine Art Lebensversicherung gedacht, mit Gott als Dienstleister für die Bedürfnisse der Menschen. Auch wenn Gott einer solchen Einstellung lange zusehen kann, aber gerade da spielt Er nicht mit, schon gar nicht bei einem Volk, dass Er als Musterbeispiel für die Verwirklichung Seiner Heils-gedanken ausgesucht hatte. Das hatte Er dem Volk Israel unmissverständlich und sogar bis in Einzel-heiten schon vor der Einnahme des verheißenen Landes mitgeteilt, also bereits ca. 450 Jahre früher   (5. Mose 27–30). Das muss der Prophet jetzt erneut dem Volk vorhalten und er geißelt die Selbstsicher- heit und Ãœberheblichkeit seiner Zeitgenossen, ihre Bestechlichkeit und das „über die Verhältnisse leben“ auf Kosten anderer. Bezeichnend ist für mich, welchen Zusammenhang er dabei zwischen einem solchen Lebensstil und der Häufung von politischen und wirtschaftlichen Unruhen, Krisen und Naturkatastrophen herstellt.

Man muss nicht unbedingt Christ sein, um da gewisse Parallelen zur Gegenwart zu erkennen. Nun wäre es allerdings fatal, wenn wir Christen nur diese Seite der Botschaft weitergeben und in das allgemeine Nörgeln und Miesmachen mit einstimmen oder gar Szenarien für den Weltuntergang entwickeln wür- den. Das kann die Filmindustrie vermutlich besser als wir. Natürlich müssen wir deutlich sagen: „Irrt euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten! Denn was ein Mensch sät, das wird er auch ernten“ (Gal. 6, 7). Aber das kann niemals das eigentliche Anliegen sein. Ziel aller Bemühungen Gottes, auch durch uns als seine Kinder, ist ja gerade das Angebot: Sucht mich, und ihr werdet leben! Dabei geht es nicht nur um das Geschenk des ewigen Lebens, das Er uns allen durch den Opfertod Seines Sohnes Jesus Christus machen kann, sondern auch um eine neue Lebensqualität heute und hier, mit praktischen Auswirkungen auf das Miteinander in Familie, Beruf, Umwelt und Gesellschaft.

Diesen Aufruf „Sucht mich“ sollten wir Christen deshalb zunächst für uns persönlich hören und praktizieren, damit wir für andere glaubhaft, einladend und wegweisend sind.

Ihr

Karl- Heinz Pohle