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Mai

 

Der Glaube aber ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft, eine Über- zeugung von Dingen, die man nicht sieht.

                                                                                                            Hebräer 11, 1


Lieber gläubiger Leser,

der „Glaube“ oder „Glauben“ ist ein zentrales Thema im Alten wie im Neuen Testament und neben der Hoffnung und der Liebe einer der Grundpfeiler des neuen Lebens. Dieser Dreiklang ist besonders in den Briefen von Paulus immer wieder anzutreffen, aber auch bei Johannes oder Jakobus, oder wie hier im Hebräerbrief, werden die vielseitigen Verknüpfungen aller Heilstatsachen mit dem Glauben aufge-zeigt. Dieser Sachverhalt birgt für mich zwei Schwierigkeiten: Weil es so ein zentrales Thema ist, haben wir es schon öfter in den Monats- Ausführungen berührt und ich muss aufpassen, dass ich nicht zu viel wiederhole. Und zum anderen ist es trotz scheinbar klarer Definition gar nicht so einfach zu beschrei- ben, was denn nun Glauben bedeutet.

Das habe ich schon bei der Wahl der Übersetzungsmöglichkeit dieses Bibelwortes gemerkt. Dass ich am Ende bei der unrevidierten Elberfelder Übersetzung geblieben bin, liegt nicht nur daran, dass sie mir am besten vertraut ist, sondern weil sie einige Gesichtspunkte betont, die in diesem Zusammenhang wichtig sind. Ebenso gut fand ich die Neue Genfer Übersetzung: „Glaube ist ein Rechnen mit der Erfül- lung dessen, worauf man hofft, ein Überzeugtsein von der Wirklichkeit unsichtbarer Dinge.“ Was das heißt, werden wir hoffentlich noch ein wenig klären können. Zunächst wollen wir aber versuchen, uns von der Wortbedeutung her dem Glauben zu nähern.

Im Hebräischen wird dafür das Wort „aman“ (verwandt mit amen) oder Ableitungen davon verwendet. Es bedeutet „zum Wesen einer Sache oder Person vorstoßen, das Feste, Wahre Zuverlässige, Treue zu erkennen. Glauben ist ein Verhältnis, das in seiner Zuverlässigkeit nie trügt. (lt. Bibellexikon) Im Grie- chischen steht meist die Vokabel „pistis“, was man mit Treue, Vertrauen, Gehorsam übersetzen kann. Als Tätigkeitswort hieße das etwa „ich verlasse mich auf…, ich binde meine Existenz an…, ich bin treu zu …“. Im lateinischen Wort „credere“ (anvertrauen, übergeben, Vertrauen schenken, glauben, credo: ich glaube) kommt noch ein anderer Gedanke dazu, nämlich „jemandem das Herz schenken“. Auch im Deutschen, das wiederum Wurzeln im Indo- germanischen hat, z. B. in dem Wort „leubh“, was soviel wie „begehren, liebhaben, gut heißen“ bedeutet, schwingt dieser Gedanke mit, oder eben bei den deut- schen Begriffen „geloben, verloben“. Ich hoffe, dass diese Erklärungen, die ich nur zusammengetragen habe, Sie nicht verwirren, sondern zu einem besseren Verstehen beitragen können.

Zumindest helfen sie erst einmal, Missverständnisse zum Thema Glauben auszuräumen: Glaube ist keine vage Vermutung. Glaube ist auch keine antike oder mittelalterliche Vorstufe zum heutigen Wissen, die nach und nach von der Wissenschaft überflüssig gemacht wird, wie man uns weiß machen will. Glaube ist ja gerade nicht das Ergebnis aus Berechnungen oder Experimenten. Glaube ist in dem Sin- ne auch keine Form von Weltanschauung und erschöpft sich auch nicht in der Anerkennung bestimmter Grundsätze und Regeln. Glaube ist vielmehr eine gelebte Beziehung zu dem lebendigen Gott, der sich uns allen in der Schöpfung, in Seinem Wort und insbesondere in Seinem Sohn Jesus Christus bezeugt hat.

Diese Beziehung ist auf Liebe, Vertrauen und Gehorsam gegründet. Glaube kann deshalb nie eine theoretische Größe sein, sondern führt immer zu einem konkreten Verhalten in unseren Gedanken, in unserem Reden und in unserem Tun. Um das zu unterstreichen und obiges Wort noch verständlicher zu machen, werden im Kapitel 11 des Hebräerbriefes viele praktische Beispiele von gelebtem Glauben aufgeführt. Ich möchte nur eines der bekanntesten herausgreifen: die Opferung des Isaak (1. M. 22, 1-19). Der Glaube Abrahams beginnt hier damit, dass er der scheinbar widersinnigen Aufforderung Gottes gehorcht, seinen Sohn, den Verheißungsträger, zu opfern. Er deutelt nicht daran herum und stellt die Treue Gottes nicht in Frage, sondern trägt die notwendigen Sachen zusammen und bricht auf. Sein Glaube zeigt sich aber auch darin, dass er zu den Knechten davon spricht, dass er mit dem Jungen zurückkommen wird, obwohl er noch nicht wusste, wie die Sache ausgehen wird. In Hebr. 11, 19 wird dazu angemerkt, dass er Gott zugetraut hat, dass ER den Isaak auch von den Toten auferwecken könnte. Ich weiß nicht, ob er dafür Vorbilder hatte, aber er kannte auf jeden Fall seinen Gott sehr gut.

Gemessen an diesem Beispiel bin ich ein Anfänger in Sachen Glauben. Andererseits macht mir gerade diese Geschichte Mut, auch beim Älterwerden Schritte des Glaubens zu gehen. Der Schlüssel dazu ist sicher, dass wir den vertrauten Umgang mit unserem Vater im Himmel suchen.

Herzliche Grüße

Ihr  Karl- Heinz Pohle