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September

Ein Mensch, der isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen,das ist eine Gabe Gottes.         Pred. 3, 13
 


Lieber Leser,

ist das nicht ein bisschen wenig als Ergebnis des langjährigen Nachdenkens und Forschens über den Sinn des Lebens, zumal von einem der weisesten Menschen, die je gelebt haben? Könnte man da nicht außergewöhnliche Erkenntnisse und Schlussfolgerungen erwarten? Und dann so ein Satz und noch andere Feststellungen, die eher eine pessimistische Lebenshaltung vermuten lassen und die in gefährlicher Nähe zu der fatalen Einstellung zu liegen scheinen:

„Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot!“ (Jes. 22, 13; 1. Kor. 15, 32)
Wenn man das Buch Prediger nur als Sammlung von Weisheitssprüchen ansieht, wie sie damals allgemein üblich waren, dann könnte man es damit abtun, dass sich auch ein Weiser mal irren kann, denn immerhin hat den Salomo seine Weisheit nicht davon abgehalten, doch falsche Wege zu gehen, mit weitreichenden Folgen für sich und das ganze Volk Israel.

Wenn man dieses Buch, das von Anfang an zum „Kanon“ der Bibel gehörte, aber als von Gott inspiriert anerkennt, dann muss es sicher noch andere Gedankengänge geben, und dem wollen wir im folgenden noch etwas nachspüren.

Zunächst ist zu bedenken, dass der Prediger zwar eine Verantwortlichkeit des Menschen für sein Tun Gott und den Menschen gegenüber kennt, aber keine ausgeprägte Hoffnung auf eine Auferstehung mit all ihren Konsequenzen, wie sie das Neue Testament lehrt. Nur so sind Aussagen am Ende unseres Kapitels (V. 19 ff) zu verstehen, die den Menschen auf eine Stufe mit dem Vieh stellen und scheinbar den Verfechtern der Entwicklungslehre in die Hände spielen, die den Menschen auch nur als ein höchstentwickeltes Tier sehen.

Biologisch mag das ja seine Richtigkeit haben, aber das entspricht in keiner Weise der Würde und Bestimmung, die Gott ihm verliehen hat, nämlich Gegenüber Gottes zu sein. Diese Würde wird hier auch nirgendwo bestritten. Im Gegenteil wird dargestellt, zu welchen Leistungen der Mensch fähig ist. Es kann deshalb nicht unsere Aufgabe als Christen sein, die menschlichen Leistungen sofort madig zu machen und von vornherein mit dem Stempel des Widergöttlichen zu versehen. Nein, wir dürfen sie dankbar anerkennen und ihre Ergebnisse für uns in Anspruch nehmen. Auch das Streben, die in uns hinein gelegten Potenziale so gut wie möglich zu nutzen und „aus seinem Leben etwas zu machen“, ist nicht von vornherein abzulehnen.

Wir werden nur gewarnt, und das nicht nur an dieser Stelle, den Wert eines Lebens am Erfolg, am Lebensstandard, an der gesellschaftlichen Stellung oder anderen für uns Menschen wichtigen Größen messen zu wollen. Denn das stellt der Prediger auch fest, dass manches von dem, was andere erarbeitet haben, auch denen zufällt, die keinen Finger dafür krumm gemacht haben. Das schon damals weit verbreitete Denken war:

Wenn es dir gut geht und alles glatt läuft, dann hast du alles richtig gemacht und du darfst das deiner Tüchtigkeit zuschreiben. Was sagen wir dann aber den Menschen, die ohne ihr eigenes Verschulden ständig auf der Schattenseite des Lebens stehen oder durch „Schicksalsschläge“, wie wir sie gerade erst in Pakistan, China, Russland oder auch im eigenen Land miterlebt haben, plötzlich vor einem Nichts stehen. Und was ist mit den Menschen, die von Geburt an schlimme Behinderungen haben?

Man wird sich hüten, von „unwertem Leben“ zu sprechen, denn jeder weiß, wohin das geführt hat, aber liegt nicht die gleiche Beurteilung zu Grunde, wenn menschliche Keime mit Gen-Defekten von vornherein aussortiert werden sollen, oder bei in der Schwangerschaft festgestellten Behinderungen zu einem „Schwangerschaftsabbruch“ geraten wird?

Es geht hier nicht darum, mit dem Finger auf andere zu zeigen, denn ähnliches Denken ist in bestimmten Situationen uns allen nicht ganz fern. Unser heutiges Wort will uns vielmehr helfen, wieder demütiger und dankbarer zu werden für das, was Gott in unser Leben und in das der Anderen hineingelegt hat und immer neu schenkt. Und das darf beim Essen und Trinken anfangen, auch wenn das sicher nicht das Wichtigste „im Reich Gottes“ ist (Rö. 14, 17), darf das Genießen der Schönheiten der Schöpfung, Freude an den vielen Facetten menschlicher Ausdrucksformen, den Forscherdrang und vieles andere mehr mit einschließen.

Wichtig ist eben nur zu erkennen, dass das nicht der letzte Sinn unseres Lebens ist, der dann weg ist, wenn das alles nicht mehr im gewünschten Maß vorhanden ist. Und wir sollten neu begreifen, dass wir das letztlich nicht in der Hand haben und uns in der Endkonsequenz auch nicht selber gutschreiben können, sondern dass es ein Geschenk Gottes ist.

Wenn wir an die vielen Menschen denken, die auch ohne Naturkatastrophen kaum Zugang zu sauberem Wasser und ausreichender Nahrung haben oder die aus gesundheitlichen Gründen beim Essen stark eingeschränkt sind, dann sollten wir unserem Vater im Himmel umso dankbarer sein, wenn es uns gut geht, aber auch ein Herz für die Not der anderen haben. Einen gesegneten Monat September wünscht

Euch Euer

Karl-Heinz Pohle