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April

Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt!

                                                                                     Matthäus 26, 41


Lieber gläubiger Leser,

klingt das nicht fast wie ein militärisches Kommando: kurze, verständliche Anweisungen in der Befehlsform, zumal dann auch noch vom (An)Fechten die Rede ist? In einer Kampfsituation ist ja keine Zeit für lange Erklärungen, da muss jeder Schritt, jedes Verhalten, das man zuvor wiederholt geübt hat, sitzen, das ist lebenswichtig. Aber mir kamen sehr schnell Zweifel, ob solche Gedanken für diese Situation angemessen sind. Immerhin geht es um das Geschehen von Gethsemane, um den ringenden Kampf des Gottessohnes, Seinen unvorstellbar schweren Auftrag auszuführen und durchzustehen. Geht es da nicht in erster Linie um Ihn, der sich so sehr gewünscht hat, dass wenigstens seine Jünger Ihm beistehen würden (Vers 38 und vgl. Ps. 69, 20)? Muss man diese Worte dann nicht eher als Vorwurf verstehen? Aber dann schien mir der erste Gedanke doch nicht so abwegig. Ging es nicht tatsächlich um eine Entscheidungsschlacht, um die entschei- dende überhaupt? Und der HERR sah nicht nur die eigene Lage, sondern die seiner Jünger, die bald vor der größten Zerreißprobe stehen würden. Die Leute, die Ihn festnehmen sollten, waren schon im Anmarsch. Da blieb keine Zeit mehr für große Erklärungen. Das hatte er im Vorfeld in umfangreichem Maße getan. Jetzt mussten ein paar knappe Anweisungen genügen. Das macht diese wenigen Worte, die wir uns noch ein wenig näher ansehen wollen, auch für uns sehr wichtig. Wie sind sie aber zu verstehen?

Es hat zu allen Zeiten Menschen gegeben und gibt sie auch heute, die diesen Befehl wörtlich nehmen und ausführen. Die bewusst auf Schlaf, zeitweise auch auf Essen oder auf bestimmte Lieblingsbeschäftigungen verzichten, um mehr Zeit für das Gebet zu haben. Wenn dies im Glauben und nicht aus einem Leistungs-denken heraus geschieht, steht es uns nicht an, darüber negativ zu urteilen. Ganz sicher geschieht da manch stellvertretender Dienst für andere. Aber ging es für die Jünger vorrangig um das Munterbleiben? War nicht gerade ihr Versagen auch auf einen Mangel an Schlaf und fehlende körperliche Kräfte zurück zu führen?

Wir haben uns gerade im März Gedanken darüber gemacht, wie wichtig es ist, dass der Mensch mit Leib, Seele und Geist zur Ruhe kommt und wir darauf achten sollten. Ich denke, die Aufforderung zum Wachen hat hier noch eine ganz andere Dimension. Das ist mir am Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen bewusst geworden (Mt. 25, 1-13). Alle Zehn sind nämlich beim langen Warten eingeschlafen, und das wird ihnen auch gar nicht zum Vorwurf gemacht, sondern dass einige nicht weiter gedacht und keine Vorsorge für den entscheidenden Moment getroffen haben. Wachen heißt also auch, sich die Sinne schärfen zu las- sen, um die Lage richtig einzuschätzen und in angemessener Weise darauf zu reagieren.

Welche Funktion hat aber in diesem Zusammenhang das Beten? Geht es darum, Gott mit unseren Bitten zu bestürmen, und je größer unsere Ausdauer ist, desto größer die Chance auf Erhörung? Das Gleichnis von der Witwe und dem ungerechten Richter (Lk. 18, 1-8) scheint diese Vorstellung zu bestätigen, und in manchen Fällen mag Intensität ja auch sehr nötig sein. Wie intensiv war gerade das Gebet unseres HERRN in Gethse- mane, so dass bei Seinem dreimaligen Gebetskampf „Sein Schweiss wie große Blutstropfen" zur Erde fiel und ER durch einen Engel gestärkt werden musste (Lk. 22, 39-46). Aber war nicht gerade dies das Entscheiden- de, dass Er nach allem Aussprechen seiner Wünsche und Ängste sich dem Willen seines Vaters unterordnete und anvertraute?

Ich denke, darum geht es letztlich auch bei unserem Beten. Nein, es ist nicht verboten, unsere Anliegen, unsere Sorgen und Nöte unserem Vater im Himmel vorzutragen, denn wir werden ja an vielen Stellen in der Bibel direkt dazu aufgefordert, aber die entscheidende Hilfe für uns geschieht dann, wenn wir den Willen des HERRN erkennen und im Glauben ein Ja dazu finden. Es ist wichtig, nicht zuerst auf die derzeitigen Umstän- de, Probleme und Schwierigkeiten zu sehen, sondern uns an bisherige Glaubenserfahrungen zu erinnern und neu Vertrauen in das Handeln Gottes zu fassen. Dabei hilft es sicherlich, von Herzen dankbar für alles zu sein, denn wie sagt ein Sprichwort: "Danken schützt vor wanken, loben zieht nach oben!" Wir können also ein Stück weit mit dazu beitragen, wie unsere geistliche Verfassung ist, auch wenn wir wissen, dass das Entscheidende der HERR tut, der nicht zulassen wird, dass wir über unser Vermögen geprüft oder angefoch- ten werden (1. Kor. 10, 13).

Wir erleben zur Zeit, wie unsere Welt scheinbar aus den Fugen gerät. Hinzu kommen noch für Einzelne von uns Prüfungen, die bis an die Belastungsgrenze zu gehen scheinen. Wir haben nicht für alles Erklärungen, aber ich bin mir sicher, dass Gott, der uns liebt, am meisten unter dem allen leidet und nicht untätig bleibt, uns zu helfen und zu einem guten Ziel zu führen. Die Passion Jesu und das Ostergeschehen, an die wir zur Zeit besonders denken, sind der beste Beweis dafür.

In diesem Sinne herzliche Grüße,

Ihr  Karl-Heinz Pohle