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Lieber gläubiger Leser,
ich habe überrascht festgestellt, dass ich zum ersten Mal in all den Jahren ein Wort aus dem Buch der Sprüche zu kommentieren habe. Auch in der Bibelstunde unserer Gemeinde haben wir dieses Buch noch nie fortlaufend betrachtet, obwohl gerade dort zu einer Vielzahl von Themen Stellung genommen wird, die recht lebensnah und beachtenswert sind. Deshalb freue ich mich, dass wir einmal ein derartiges Thema herausgreifen und etwas näher beleuchten können. Mancher mag aber enttäuscht sein, dass wir dabei erneut beim Thema „Geld“ gelandet sind, wo es für uns als Christen bestimmt wichtigere Themen gibt, wie wir meinen. Ob dem so ist, und ob es nur um das Geld geht, werden wir hoffentlich noch ein wenig klären können. Falls wir ein grundsätzliches Misstrauen haben, wenn ausgerechnet Leute wie Salomo, denen alles zu Gebote stand, sich zu diesem Thema äußern, dann sollten wir uns zuerst darüber klar werden, dass es hier nicht nur um „kluge Sprüche“ eines Menschen, sondern um Gottes Wort geht.
Allerdings habe ich vom Wortlaut her nicht den Eindruck, dass wir hier ein „ehernes Gesetz“ vor uns haben, also dass es nur so und nicht anders ist. Sonst wäre es für manche geradezu eine Einladung zum leichtfertigen Ausgeben der ihnen anvertrauten Güter. Nein, ich bin durchaus für einen durchdachten, disziplinierten Umgang mit dem, was uns zur Verfügung steht, und die Bibel unterstützt durchaus eine solche Sichtweise, wenn wir nur an das Gleichnis vom „verlorenen Sohn“ denken (Lukas 15, 11-32). Aber worum geht es dann? Da ist zum einen der Gedanke des Absicherns, der so in der menschlichen Natur liegt, aber immer dann schadet, wenn Gott dabei außen vor gelassen wird oder es auf Kosten anderer geschieht.
Doch bleiben wir erst einmal auf der ganz persönlichen Ebene. Müsste man in unserer Zeit, die von Überfluss und Verschwendung geprägt ist, nicht eher zu einem Konsumverzicht und bescheidenem Umgang mit den vorhandenen Gütern aufrufen? Ich habe dieser Tage in einem Bericht gehört, dass weltweit 30% der Lebensmittel weggeworfen werden, 15% davon, ohne dass sie geöffnet oder angerissen wurden. Den Hauptanteil daran haben die reichen Länder, die mit dem Überfluss nicht umgehen können, während große Teile der Welt unter Hunger leiden. Ist da ein „kargerer“ Lebensstil nicht angezeigt?
Ja, aber es gibt eben auch ein Kargen, das nicht gut ist. Vor allem wir älteren Menschen, die den Krieg oder schwere Zeiten erlebt haben, neigen dazu, „eiserne Reserven“ anzulegen, ob in Form von Geldanlagen oder direkt in materiellen Dingen. So kann es sein, dass man mit sich selber oder anderen knauserig umgeht, obwohl man ein gutes Bankkonto besitzt. Oder man hat ein gutes Service oder neue Wäschestücke im Schrank, die man nicht benutzt oder weggibt, weil man sie für später „schonen“ will. Für wen eigentlich? Die nächste Generation hat oft ganz andere Wertmaßstäbe, oder das alles wird zu einem Anlass für Erbstreitigkeiten.
Darf ich auch ein Wort zu dem anderen Extrem sagen, obwohl das nicht im Text steht? Die Zahl der Menschen, die sich privat verschulden, nimmt in unserem Land immer mehr zu. Dafür gibt es viele Gründe. Aber einer ist sicher auch, dass man es nicht ausreichend gelernt hat, klug und verantwortlich mit dem umzugehen, was man hat. Hier sollte keiner zu stolz sein, Ratschläge oder Hilfsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Eine einfache Hilfe wäre z. B., ein Haushaltbuch zu führen, das einem selber bis zu einem gewissen Grad die Schwachstellen oder Einsparmöglichkeiten aufzeigt.
Wie dem auch sei, ob wir eher zu der einen oder anderen Seite neigen, wir müssen wissen, dass es nicht nur um uns ganz persönlich geht, sondern unser Verhalten auch Auswirkungen auf unser Umfeld hat. Wenn meine größte Sorge die Sicherung und Vermehrung des eigenen Wohlstandes bzw. der meiner Familie ist und ich keinen Blick für die Bedürfnisse anderer, besonders der Benachteiligten oder auch Gescheiterten habe, dann ist das verhängnisvoll für unseren Auftrag als christliche Gemeinde, aber auch für die gesamte Gesellschaft. Wenn ich andererseits alles sofort haben muss und vielfach über meine Verhältnisse lebe und nur noch eine Privatinsolvenz der letzte vernünftige Ausweg ist, auch da wälze ich letztlich den Schaden auf andere ab.
Jetzt wirst Du berechtigt fragen: „Was soll ich denn nun tun, sparen oder ausgeben?“ Unser Bibelwort für den Monat Juni legt den Schwerpunkt mehr auf letzteres, aber es spricht vom „austeilen“ an andere, also vom gezielten Weitergeben dessen, was man zur Verfügung hat. Und das müssen nicht nur materielle Dinge sein. Das kann ebenso Zuwendung, Wertschätzung, Anteilnehmen und tätige Liebe sein, die man auch üben kann, wenn man ärmer ist. Der Schlüssel liegt für mich in dem kleinen Nebensatz „wo er nicht soll“. Es geht demnach auch in solchen praktischen Fragen um eine bewusste Abhängigkeit vom Willen Gottes.
Herzliche Grüße und ein frohes Pfingstfest wünscht Ihnen
Ihr Karl- Heinz Pohle