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Lieber gläubiger Leser,
wir wissen nicht genau, in welcher Situation David diesen Psalm gebetet hat. Einige Ausleger meinen, dass dies auf der Flucht vor seinem Sohn Absalom gewesen sein könnte (2. Sam. 15). Auf jeden Fall müssen es Erfahrungen gewesen sein, die ihn im Inner- sten erschüttert haben. Auch wenn dieser Psalm nun von Glaubenszuversicht zu strotzen scheint, kommt dieses doch zur Sprache. Dass eine solche Haltung nichts mit Selbstsicherheit zu tun hat, sondern David es auch erst „unter die Füße“ bekommen musste, zeigt mir die Tatsache, dass er mehrfach der eigenen Seele beschwichtigend zuredet und er sein Angeschlagensein offen zugibt.
Vielleicht können wir uns alle nicht vorstellen, was es heißt, von nahestehenden, geliebten Menschen so enttäuscht zu werden, und uns erscheint die Schlussfolgerung „nur auf Gott…“ zwar verständlich, aber doch übertrieben. Muss man denn auf Grund negativer Erfahrungen nun allem und jedem misstrauen? Wie vergiftend kann es für das Miteinander sein, wenn man hinter jeder Meinungs-verschiedenheit oder unerwarteten Reaktion des Anderen sofort eine Gemeinheit oder gar „Verschwörung“ vermutet. Nein, wir sind untereinander auf ein großes Maß an Vertrauen angewiesen, sonst geht bald gar nichts mehr. Ich denke aber, hier geht es um et- was anderes: Woran mache ich den Sinn und den Wert meines Lebens fest? Von welchen Verhältnissen oder Menschen hängt für mich die Einschätzung meiner Lebensqualität ab? Was trägt durch, wenn scheinbar tragende Säulen weg brechen? Darauf gibt es für den Glaubenden letztlich nur eine Antwort, wenn sie auch mal zaghafter oder ein andermal entschiedener ausfallen kann. Viel- leicht ist das Wörtchen „still“ ein Indiz dafür, dass David hier im Blick auf sich selbst den Mund nicht zu voll nehmen will. Aber man kann es auch anders deuten: „Nur bei Gott kommt meine Seele zur Ruhe“, sagt eine andere Übersetzung, und ich denke dieses „Zur Ruhe Kommen“ ist ein wichtiger Aspekt.
Dieses Grundbedürfnis des Menschen ist sogar ein Teil der Gottesebenbildlichkeit, denn Gott selbst ruhte am 7. Schöpfungstag von allen seinen Werken. Lange Zeit wurde diese Tatsache bewusst oder unbewusst ignoriert und übergangen, mit schlimmen Folgen für den Einzelnen wie für die ganze Gesellschaft. Herzinfarkt, Burn-out-Syndrom und viele psychosomatische Erkrankungen, die u. a. hier ihren Ursprung haben, sind inzwischen zu Volkskrankheiten geworden. Mittlerweile hat sich eine ganze „Industrie“ dieses Problems angenommen und bietet vielfältige Möglichkeiten zur Stressbewältigung, Entspannung und Wellness für Körper und Seele an, ohne letztlich dem Kern des Problems auf den Grund zu gehen. Sofern es sich um echte medizinische Hilfen handelt, dürfen wir sie dankbar in Anspruch nehmen. Aber David war da schon einen Schritt weiter, als er erkannte, dass das im Grunde etwas mit unserem Verhältnis zu Gott zu tun hat. Es geht nämlich um mehr als Abschalten, die Hände in den Schoß legen und Entspannen. Wer schon einmal in so einer Situation war, wird wissen, dass das gar nicht so ohne weiteres geht. Wenn der ganze Körper wie unter Hochspannung steht, wenn der dringend benötigte Schlaf flieht und die Gedanken kreisen.
Neben Überbelastung können die Gründe dafür in ungelösten Problemen oder Sorgen liegen. Die Bibel rät uns an vielen Stellen, diese Dinge nicht mit uns selber auszumachen, sondern sie zu dem zu bringen, der in der Lage ist, echte Veränderungen herbei zu führen (1. Petr. 5,7). Eine nicht zu unterschätzende Größe ist aber auch unbewältigte Schuld. David musste die Erfahrung machen, dass menschliche Verdrängungstechniken hier nichts nützen, die Sache eher noch schlimmer machen. Er bekennt: „Als ich schwieg, verzehrten sich meine Gebeine“ (Ps. 32,3). Überhaupt zeigt der ganze Psalm 32 oder auch Psalm 51 auf, wie befreiend es ist, Schuld vor Gott zu bekennen, Vergebung und Erneuerung zu erfahren (Dass es oft nötig und hilfreich ist, auch vor Menschen zu bekennen, habe ich schon früher mehrfach betont). Das vermögen nämlich Entspannungstechniken und andere Wege der Selbst- hilfe letztlich nicht. Sie können zwar kurzfristig entlasten, aber nicht unser Verhältnis zu Gott in Ordnung bringen und auch nicht die Frage nach der Zukunft und der Ewigkeit klären.
Diese Einsicht nützt jedoch nur dann etwas, wenn sie zu einer persönlichen Erfahrung wird. David jedenfalls bekannte, dass seine Hoffnung im gnädigen Handeln Gottes begründet ist. Mir ist klar, dass dieses Geborgensein in Gott immer wieder einmal ange- fochten sein kann, denn endgültig werden wir erst dann zur Ruhe kommen, wenn wir bei Ihm sind (Hebr. 4,9). Aber ich wünsche uns allen, dass wir in den unterschiedlichsten Lebenssituationen immer wieder solche konkreten Glaubenserfahrungen machen, die unser Vertrauen stärken.
Gottes Segen für den neuen Monat wünscht Ihnen
Ihr Karl- Heinz Pohle