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Dezember

Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!

                                                                                   Prophet  Jesaja Kap. 60 Vers 1

Lieber gläubiger Leser, 

meine erste Reaktion auf dieses Bibelwort war: Ach ja, so ein typisches, oft zitiertes Wort, das uns auf die Advents- und Weihnachtszeit einstimmen soll. Aber mir wurde sehr schnell klar, dass es hier nicht darum geht, uns in eine dem „Kirchenjahr“ entsprechende Stimmung zu versetzen, sondern es geht eher um ein Wachrütteln und ein Ausrichten auf den erneuten Advent, auf die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. Auch wenn dieser Name nicht direkt genannt wird, wird gerade beim Propheten Jesaja deutlich, dass es sich nur um Ihn handeln kann. Aber geht es bei dieser Ankündigung wirklich darum, oder wird auf etwas bereits Geschehenes Bezug genommen, weil einige Übersetzer auch sagen: „Denn dein Licht ist gekommen“? 

Nun, ich denke, dass es für die ursprünglichen Adressaten, das Volk Israel, Zukunftsmusik war, sogar eine relativ ferne, denn zu dieser Zeit waren sie noch nicht einmal im Exil, das ja auch angekündigt worden war. Aber ein Merkmal der Prophetie ist, Dinge als Realität zu sehen, die erst in der Zukunft ihre volle Erfüllung finden werden. Und der Glaube ist die entsprechende, vorweg genommene Antwort darauf. Doch sehen wir uns dieses Wort noch etwas näher an: Am Anfang steht eine Aufforderung. die man ohne Übertreibung als Wachrütteln bezeichnen kann. Ihr kennt sicher auch solche Momente, wo es einem schwer fällt, munter zu werden und in die Gänge zu kommen. Gerade hat man noch fest geschlafen, etwas Schönes oder vielleicht Verwirrendes geträumt, als uns jemand an der Schulter packte und wir wie von weither eine Stimme hören: „Aufstehen, es ist schon hell draußen!“ Da muss man erst zu sich kommen und die Gedanken sammeln. Anders ist es, wenn man hört „wir haben es verschlafen“, dann ist man meist sofort hellwach. In diesem Zusammenhang musste ich an das Gleichnis von den zehn Jungfrauen (Matthäus- Evangelium 25,1-13) oder das Wort im Epheser- Brief 5, 14 denken: „Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, und der Christus wird dir leuchten!"  

Und noch eine andere Situation fiel mir ein: In den Fußballstadien gibt es „Gesänge“, die oft nicht sehr sinnvoll sind. Aber ein Liedfetzen, dessen Ursprung ich nicht kenne, ist meistens dabei: „Steh auf, wenn du ein (Deutscher) bist…“ (die Anrede kann man beliebig ändern). Egal, ob das Spiel gerade gut läuft oder nicht, sollen damit Kräfte mobilisiert und jeder angestachelt werden, sein Bestes zu geben. In diesem Sinne verstehe ich die Aufforderung „werde licht“. Dass „licht“ in dem Fall klein geschrieben wird, ist sicher richtig. Denn auch wenn der Herr Jesus seine Nachfolger als „Licht der Welt“ bezeichnet (Matthäus- Evangelium 5, 14), wissen wir doch, dass wir diese Leuchtkraft nicht in uns selbst haben, sondern sie ist Widerschein des wahrhaftigen Lichtes, das „in die Welt kommend, jeden Menschen erleuchtet“ (Johannes- Evangelium 1, 9). Dass dabei trotzdem unsere Aktivität gefragt ist, wird an der Befehlsform „werde!“ deutlich. 

Im Vergleich mit den Gläubigen des Alten Testamentes haben wir den ungeahnten Vorteil, auf ein bereits geschehenes Heilshandeln Gottes in Seinem Sohn Jesus Christus zurückblicken zu können. Dieses Geschehen ist überhaupt erst die Grundlage dafür, dass ein solcher Appell an uns gerichtet werden kann. Insofern tut es uns auch selber gut, nicht nur in der kommenden Zeit und auch nicht nur beim „Mahl des HERRN“ daran zu denken, sondern uns täglich auf dieses Fundament zu stellen. Dass das Ganze aber auch eine zukünftige Dimension hat, wird uns schon bei dem zitierten Gleichnis bewusst. Um im Bild zu bleiben: Das Kommen des Bräutigams, das Entgegengehen zu Ihm und das große Freudenfest stehen noch aus. Zwar ist Seine Herrschaft im Anbrechen, ja schon unter uns, aber eben noch nicht für alle sichtbar. Vielleicht kann man es mit dem Sonnenaufgang vergleichen. Zum einen wird er zu einer bestimmten Zeit nicht von allen wahr genommen und zum andern werden erst nach und nach alle Dinge vom Sonnenlicht berührt. Da gibt es anfangs noch lange Schatten und manchmal muss sich auch erst der Nebel auflösen oder Wolken müssen verschwinden, ehe wir die volle wärmende, belebende Kraft verspüren. So verstehe ich jedenfalls den Nachsatz „die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!“ 

Da wird nicht einfach nur ein Lichtschalter umgelegt, und plötzlich erstrahlt alles in einem wunderbaren Licht (auch wenn wir das einmal so empfinden werden, wenn wir Ihn sehen, wie Er ist), sondern es ist zuallererst eine ganz persönliche Zusage für die Gegenwart. 

Jetzt müsste sich eigentlich eine Bibelarbeit zum Thema „Herrlichkeit“ anschließen, denn die Bücher des Neuen Testamentes reden in vielfältiger Weise davon. Das geht hier leider nicht, aber vielleicht bekommt der eine oder andere Lust, sich selbst einmal damit zu befassen. Stellvertretend möchte ich nur das 1. Kapitel des Epheserbriefes nennen, das vieles dazu sagt. 

Und wollen wir das im Ohr und im Herzen behalten: Dein Licht kommt! In diesem Sinne eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit,

Ihr Karl- Heinz Pohle