Sie sind hier: Archiv / Herrnhuter Monats-Losungen / 2012 / Februar
Liebe Leser,
wenn man dieses Wort liest, dann ist man versucht, in Gedanken den Paulus zu unterbrechen und zu sagen: „Bist du dir im Klaren, welche Verwirrung ein solches Wort stiften kann. Und selbst, wenn du nur auf ein Schlagwort deiner Gegner reagierst, müsste man diese Aussage nicht trotzdem stärker eingrenzen, als du das tust. Es muss ja nicht gleich eine Verbotsliste der Dinge sein, die man nicht darf, aber wenigstens ein paar Eckpunkte, an denen man sich besser orientieren kann. So ähnlich wie damals beim Apostelkonzil in Jerusalem (Apostelgeschichte 15, 1-31).“
Dass das obige Motto nicht uneingeschränkt gelten kann, weiß auch jeder Nichtchrist, denn man würde laufend mit den bürgerlichen Gesetzen in Konflikt kommen, wenn man so lebt. Und wir als Christen wissen doch erst recht, was Gott will und was nicht. Nicht nur das Alte Testament ist ja voll von diesbezüglichen Vorgaben. Aber wissen wir es wirklich so genau? Dann dürfte es nicht in jeder Generation immer wieder neu die Frage danach geben, was ein Christ darf oder nicht. Zur Zeit der Urgemeinde waren es Fragen wie: Darf man alles essen, was auf dem Fleischmarkt angeboten wird? Darf man heiraten, oder sollte man ledig bleiben? Vor etwa 100 Jahren machte man sich Gedanken darüber, ob es für Christen angemessen ist, mit der Eisenbahn oder dem Auto zu fahren. Schon Fahrrad fahren galt als hochmütig. Später fragte man, ob ein Christ ins Kino oder Theater gehen darf und ähnliche Dinge.
Heute, in unserer Gemeinde, überlegen wir eher, welcher Musikstil für uns angemessen ist und ob man auch bei der Mahlfeier den Gemeindegesang mit Instrument begleiten sollte. Oder wie ist es mit dem öffentlichen Gebet der Frauen in der Gemeinde? Fällt das tatsächlich unter das allgemeine Schweigegebot? Ich weiß, dass sich an solchen Fragen gelegentlich die Gemüter erhitzen. Aber ich sage das nicht, um neue Diskussionen darüber anzufachen, sondern um zu zeigen, dass es oft nicht einfach ist, ein klares „Ja“ oder „Nein“ zu sagen. Auch wenn ich ein Mensch bin, der gerne klare Vorgaben hat, finde ich es nun doch weise, dass Paulus nicht in die eine oder andere Kerbe schlägt, sondern einen jeden von uns in die Verantwortung stellt. Das zeigt mir, was für ein hohes Gut die Freiheit ist, zu der uns Jesus Christus berufen hat und für die Paulus in Seinem Namen immer wieder leidenschaftlich gekämpft hat. Uns fallen da sicher so manche Aussagen vor allem aus dem Galaterbrief ein.
Aber auch für Petrus war das ein Thema. Allerdings ergänzt er: „Nehmt eure Freiheit nicht zum Deckmantel für die Bosheit“ (1. Petrus 2, 16). Es gibt also schon Begrenzungen für unsere Freiheit, nur dass sie nicht durch Druck von außen, sondern durch „Einsicht in die Notwendigkeit“ (wie es Philosophen formulierten) akzeptiert werden. Ein paar Hilfen, um zu solchen Einsichten zu gelangen, sind in unserem Monatsspruch gleich mit genannt:
1. Nutzen.
Das scheint auf den ersten Blick eher ein materialistischer als ein geistlicher Gesichtspunkt zu sein. Aber wir dürfen durchaus den Verstand gebrauchen und abwägen, wem und wozu diese Sache oder dieses Verhalten nützt. Vielleicht fällt dann schon manches durch das Raster.
2. Aufbauend oder zerstörend.
Das Urteil darüber ist sicher oft subjektiv geprägt, aber wir sollten dabei bedenken, dass es nicht in erster Linie um uns als Einzelpersonen geht, um meine Erbauung oder dass meine Vorstellungen nicht zerstört werden, sondern um die Gemeinde Jesu und die Ausbreitung des Evangeliums. Deshalb ist der dritte Punkt wichtig:
3. Denkt nicht nur an euch selbst.
Es ist wichtig, einen eigenen Standpunkt und eine eigene Glaubensüberzeugung zu haben. Aber im Zusammenleben mit anderen merken wir, dass es da durchaus Unterschiede gibt, die gelegentlich auch zu Spannungen führen können. Hier sind die „Starken“ herausgefordert, die „Schwachen“ zu tragen bzw. auf sie Rücksicht zu nehmen (Römer 14,1-12 und 15,1-6), nur dass im Gemeindealltag oft nicht leicht zu entscheiden ist, wer die Starken oder Schwachen sind.
Und wir sollten bei alledem auch nicht vergessen, dass es hier nicht nur um die Ortsgemeinde, sondern den ganzen Leib Jesu und auch um die Frage geht, ob unser Verhalten förderlich oder hinderlich für die Ausbreitung des Evangeliums ist.
Mein Wunsch ist es, dass uns der HERR bei aller Unterschiedlichkeit im Charakter oder in der Prägung die Einheit des Geistes erhält und noch mehr wachsen lässt zu Seiner Ehre.
In diesem Sinne herzliche Grüße,
Ihr Karl- Heinz Pohle