‹ Juli - Christen in Chemnitz, Sachsen informieren - christen.ws

christen.ws

Sie sind hier: Archiv / Herrnhuter Monats-Losungen / 2012 / Juli

Juli

Mit welchem Maß ihr messt, wird euch gemessen werden.

                                                                 Markus- Evangelium Kap. 4  Vers 24


Lieber gläubiger Leser,

da meint man, ein Bibelwort gut zu kennen, aber bei näherer Betrachtung ist man sich gar nicht mehr so sicher, ob man es richtig verstanden hat. Ist Ihnen das auch schon mal passiert? Mir geht es mit diesem Monatspruch so. Hätte ich eine schnelle Antwort geben müssen, was der Sinn dieses Jesuswortes ist, hätte ich bestimmt gesagt: Nun, uns muss bewusst sein, dass der Maßstab, den wir bei der Beurteilung an Andere anlegen, in gleicher Weise für uns gilt.

Und vielleicht hätte ich dann noch auf das bekannte Bildwort vom „Splitter“ und „Balken“ verwiesen, das der Herr Jesus in Matthäus- Evangelium 7, 3-5 so anschaulich erzählt, übrigens im Anschluss an das fast gleich lautende Wort zu unserem Monatsspruch. So verkehrt kann diese Deutung also nicht sein, zumal sie uns hilft, im Umgang miteinander demütiger und barmherziger zu sein. Aber irgendwie passt das Ganze nicht so recht in den Zusammenhang. Weder zu dem, was vorher über das Reden und Hören gesagt wird, noch zu der Schlussfolgerung, dass dem, der schon genug hat, noch mehr gegeben wird, und dem, der fast nichts hat, auch das bisschen noch genommen wird (Vers 25). Gerade dieser Gedanke hat mich stutzig gemacht. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass damit materielle Dinge gemeint sein könnten. Das würde sicher gegen unser aller Gerechtigkeitsempfinden gehen. Aber wie ist das alles dann zu verstehen?

Ich will versuchen, eine Antwort zu finden, bin mir aber nicht sicher, ob das den Kern trifft: Bei „Maß“ denken wir zuerst an Zahlenwerte, die es uns ermöglichen, etwas zu berechnen oder zu vergleichen. Dafür gibt es exakte Vorgaben, und es wird darüber gewacht, dass das niemand zu seinen Gunsten verändert (Ãœbrigens legt auch die Bibel großen Wert auf genaue Maße und Gewichte, weil Betrug für Gott kein Kavaliersdelikt ist). Könnte es sein, dass mit dem „Maß“ auch ein Gefäß gemeint ist, mit dem man etwas zuteilt (in Bayern spricht man z. B. von der „Maß Bier“), wobei es in unserem Falle weniger um die genaue Abmessung, als darum geht, ob das Gefäß groß oder klein ist?

Diesen Gedanken will ich noch etwas weiter verfolgen: Ausgangspunkt für diese ganzen Ausführungen Jesu war ja das Gleichnis vom 4fachen Acker gewesen und die Frage der Jünger, ob Gleichnisse das Verstehen des Wortes Gottes nicht eher noch erschweren. Er weist diesen Gedanken nicht völlig ab, weil ein bestimmter Plan Gottes auch dahinter steht, aber keinesfalls geht es um eine „Geheimlehre“, die nur von einer kleinen Elite besonders kluger Menschen begriffen werden kann. Gottes Wort war aber auch noch nie eine Massenware, die man sich mühelos oder im Vorbeigehen aneignen könnte. Und weil die Voraussetzungen und Umstände bei jedem Einzelnen sehr unterschiedlich sein können, hat Gott uns bewusst in bestimmte Abhängigkeiten und Verantwortlichkeiten füreinander gestellt.

Und an dieser Stelle kommt unser heutiges Wort ins Spiel: Welches Maß messen wir dem Hören und dem eigenen Nachforschen im Worte Gottes bei? Sicher haben wir Sein Wort lieb und freuen uns über gute Bibelauslegungen oder eigene neue Entdeckungen. Aber wenn ich das bei mir ins Verhältnis zu dem setze, was ich durch Zeitung oder Nachrichten aufnehme, ist da doch ein Missverhältnis vorhanden. Oder kennt Ihr auch das Verlangen, einfach mal abzuschalten und sich nicht immer mit tiefgründigen Problemen beschäftigen zu müssen, und dann lässt man sich eher von anderen Dingen berieseln.

Das ist letztlich eine Frage der Wertschätzung und ein Zeichen dafür, welche Wirksamkeit wir dem Wort Gottes selbst beimessen. Nicht umsonst wurde das Volk Israel angewiesen, es bei jeder Gelegenheit ins Gedächtnis zu rufen, darüber nachzudenken und es an die Kinder und andere Menschen weiter zu geben (5. Buch Mose 6, 6-9). Oder denken wir an den Beter des 119. Psalmes, der regelrecht ins Schwärmen kommt über die guten Ordnungen Gottes. Der Herr Jesus macht deutlich, wie bevorzugt wir sind, Dinge und Zusammenhänge erkennen zu können, die die Propheten und Menschen des Alten Bundes bestenfalls ahnen konnten (Matthäus- Evangelium 13, 17) und in die sogar Engel hinein zu schauen begehren (1. Petrus- Brief 1, 10-12).  Und wie gehen wir damit um? Die Größe des Maßes, das wir für das „Schöpfen“ im Worte Gottes einsetzen, ist mit dafür entscheidend, wie es geistlich um uns bestellt ist, ob wir wachsen oder abnehmen. Und was fürs Schöpfen gilt, trifft genauso für das Austeilen und Weitergeben zu, in welcher Form auch immer das geschieht. Welchen Einsatz sind uns die Menschen unserer Zeit, Außenstehende wie Glaubensgeschwister, wert? Auch das wird nicht ohne Rückwirkung auf unser eigenes Glaubensleben bleiben. Ich wünsche uns allen, dass wir hier das richtige Maß finden.

Herzliche Grüße,

Ihr Karl- Heinz Pohle