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Juni

Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.

                                         1. Korinther-Brief Kap. 15 Vers 10

Lieber gläubiger Leser,

das klingt doch ziemlich selbstbewusst, und man ist geneigt zu fragen, ob eine solche Haltung angemessen ist. Für Paulus, der das gesagt hat, sicher schon, aber für uns? Ehe ich eine vorschnelle Antwort gebe, wollen wir uns das Wort wieder etwas näher ansehen: Gerade weil Paulus in seinen Predigten und Briefen solche entscheidenden Dinge, wie die Erwählung vor Grundlegung der Welt, die Rechtfertigung aus dem Glauben, das Geheimnis des Christus, die Auferstehung der Toten u.a. weiter zu geben hatte, musste er sich immer wieder fragen lassen, mit welchem Recht er das sagt und tut, vor allem bei seiner Vergangenheit.

Und bestimmt sind auch Ihnen schon solche Gedanken gekommen, mit welchem Recht wir Glaubensdinge an andere weitergeben, egal ob an Glaubensgeschwister oder Fernstehende. Erheben wir uns damit nicht über sie? Nun, das ist zu allererst eine Frage der Beauftragung durch Gott selbst. Dass wir als Einzelne und als Gemeinde generell diesen Auftrag haben, ist nicht schwierig zu begründen. Aber in konkreten Situationen oder bei bestimmten Vorhaben ist es schon angebracht, nach der Bevollmächtigung und den Voraussetzungen zu fragen.

Und das zweite ist sicher, dass unsere Vergangenheit vor Gott und Menschen geordnet sein muss und wir eine lebendige Beziehung zu Ihm und Seinem Wort haben. Deshalb ist es keine Floskel, wenn wir uns auf Gottes Gnade berufen und eben nicht auf unsere guten Voraussetzungen, wie etwa natürliche Begabungen, eine solide Ausbildung und eine umfangreiche Bibelkenntnis, so vorteilhaft und wünschenswert das alles sein mag.

Aber was bedeutet Gnade? Im täglichen Sprachgebrauch kommt dieser Ausdruck kaum noch vor, am ehesten in dem Begriff Begnadigung, wenn einem Menschen auf Antrag ein Teil oder die ganze verhängte Strafe erlassen wird. Diesen grundlegenden Sinn hat Gnade in der Bibel auch, aber darüber hinaus bedeutet sie außerdem: Herablassung, Zuneigung, erbarmende Liebe, Gunst, unverdientes Geschenk, Dienstausrüstung, Basis des neuen Lebens. Und noch eins möchte ich nennen: Anteil haben an dem Wesen Gottes. Dieser Gesichtspunkt ist mir nämlich bei dem Wortspiel „bin ich, was ich bin“ neu bewusst geworden.

Hat das nicht eine große Ähnlichkeit mit dem „Ich bin, der Ich bin“ mit dem sich Gott im Alten Testament seinem Volk Israel vorstellt? Man wagt sich kaum, hier eine Verbindung herzustellen, aber das ganze Neue Testament bezeugt, dass wir durch Jesus Christus Kinder Gottes geworden sind und Anteil am ewigen Leben bekommen haben. Jetzt könnte man auflisten, was dadurch aus uns schon geworden ist und noch werden wird, wenn wir bei Ihm sind.

Ich will nur ein paar Begriffe herausgreifen, die die Bibel verwendet, um zu beschreiben, was wir sind: Auserwählte (Römer 8,33), Heilige und Geliebte (Kolosser 3,12), Leib Christi (1.Korinther 12), Botschafter an Christi Statt (2.Korinther 5,20), Könige und Priester (1. Petrus 2,9), Erben (Römer 8,17).

Sie können gerne nach weiteren Bezeichnungen suchen und sich darüber freuen, in welchen Stand uns Jesus Christus gebracht hat. So gesehen ist ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein, oder sagen wir besser Heilsgewissheit, schon angebracht. Ob unser tatsächlicher Zustand dem allerdings immer entspricht, ist eine ganz andere Sache.

Mir ist aufgefallen, dass Paulus hier nicht sagt: Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Natürlich darf man sich über Talente, die man „mitbekommen“ hat, und auch über positive Veränderungen im eigenen Leben freuen und vor allem Gott herzlich dafür danken. Aber es wäre verhängnisvoll, wenn wir selbstgenügsam dabei stehen blieben. Gott ist zeitlebens dabei, uns in das Bild Seines Sohnes Jesus Christus zu verwandeln und Er will auch, dass wir selbst der Heiligung „nachjagen“ (Hebräer 12, 14). Diese Gedanken sind uns nicht fremd, aber wie oft kommt es in der Praxis vor, dass wir uns mit solchen oder ähnlichen Worten entschuldigen: „Ich bin nun mal so, ich kann doch nicht aus meiner Haut!“ Das ist nur die halbe Wahrheit. Ich weiß auch, welch großen Einfluss Veranlagung, Erziehung und Prägung auf unser Leben haben. Aber machen wir nicht durch Kleinglauben, Bequemlichkeit oder aus anderen Gründen die Kraft des neuen Lebens für uns gering oder gar unwirksam?

Wir leben nicht nur vom Kalender her in der Zeit nach Pfingsten, wo der HERR Seiner Gemeinde und jedem einzelnen Gläubigen eine Anzahlung auf die zukünftige Herrlichkeit gegeben hat: Seinen Geist, der in uns wohnt und in der Lage ist, uns umzugestalten. Darüber dürfen Sie sich neu von Herzen freuen und für sich und andere wirklich zuversichtlich sein.

Einen gesegneten Monat Juni wünscht Ihnen

Ihr  Karl- Heinz Pohle