‹ September - Christen in Chemnitz, Sachsen informieren - christen.ws

christen.ws

Sie sind hier: Archiv / Herrnhuter Monats-Losungen / 2012 / September

September

Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der Herr, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?

                                                                        Prophet Jeremia Kap. 23 Vers 23

Lieber gläubiger Leser, 

ich muss gestehen, dass es mir wieder einmal schwer fällt, Zugang zu diesem Wort zu finden, obwohl ich es schon längere Zeit im Herzen bewege. Dabei ist es nicht so sehr der Wortlaut, der mich beschäftigt, obwohl es da bei den unterschiedlichen Ãœbersetzungen schon Nuancen gibt, wo man sich fragt, ob die Begriffe „nah“ und „fern“ räumlich, zeitlich oder geistlich zu verstehen sind. Das größere Problem ist für mich, dass es nicht in den Gesamtzusammenhang zu passen scheint. Mitten in einem Kapitel, in dem der Prophet Jeremia im Auftrag Gottes hart mit den falschen Propheten ins Gericht gehen muss, weil sie bewusst die Realitäten ignorieren und mit ihren nur positiven Träumen angeben und dabei das Volk in die Irre führen, steht dieser Ausspruch fast wie ein Fremdkörper da. Was will Gott damit sagen, den Leuten damals und uns heute? Was ist so schlimm daran, sich einen nahen Gott zu wünschen, dass ER hier selbst darauf hinweisen muss, dass ER auch der ferne Gott ist.

Ich will versuchen, Antworten darauf zu finden. Ohne Zweifel ist ein naher Gott der Idealzustand, den nicht nur wir uns wünschen, sondern den Gott selbst von Anfang an zum Ziel hatte. Denken wir an den Garten Eden, wo das so lange möglich war, bis der Einbruch der Sünde dieses Vertrauensverhältnis zerstörte (1. Buch Mose 3, 8-13). Und auch in der Zukunftsvision vom neuen Jerusalem auf einer erneuerten Erde wird besonders herausgestellt, wie nahe Gott dann den Menschen sein wird (Offenbarung 21, 3+4). In der Zwischenzeit aber ist das durchaus nicht der Normalzustand, sondern ein Gnadenerweis Gottes, wenn es einzelne Menschen, Gruppen oder auch mal ein ganzes Volk, wie das Volk Israel, so erfahren dürfen. Was das für ein Vorrecht ist, war schon im Alten Testament bekannt (5. Buch Mose 4,7) und im Neuen Testament wird geradezu darüber gejubelt, in was für ein inniges Verhältnis zu Gott wir durch das Opfer Jesu gebracht worden sind (Epheser 2, 11-22).

Aber wie gesagt, das ist ein Geschenk und keine Sache, die wir für unsere Zwecke ausnützen und manipulieren könnten. Als Mose während der Wüstenwanderung einmal sehr lange auf dem Berg war, meinte das Volk, ein goldenes Kalb haben zu müssen, um der Nähe Gottes sicher zu sein. Später dachte man, die Bundeslade überall mit hinnehmen zu müssen, um Sieg zu haben, weil Gott sich ja an diesen Ort gebunden hatte. Und selbst der Tempelbau war im Grunde eine Versicherung der Nähe Gottes. Und Gott war ja auch nahe, aber ER hat sich dabei nie der Verfügbarkeit durch den Menschen ausgeliefert. Das ist ja die Gefahr einer zu großen Nähe (übrigens auch bei zwischenmenschlichen Beziehungen, wie zwischen Vorgesetztem und Untergebenem), dass Relationen verschoben und eigene Kompetenzen überschritten werden.

Bei den falschen Propheten war das jedenfalls so. Sie meinten, Gott gut zu kennen und waren sich sicher, dass Gott in ihrer Mitte ist und ER nicht zulassen wird, dass Sein Heiligtum und Seine geliebte Stadt in die Hände Seiner Feinde fallen wird. Daraus leiteten sie ihr Recht ab, auch ohne besonderen Auftrag positive Voraussagen treffen zu müssen und verfolgten jeden, der etwas anderes sagte.

Es ist immer eine Gefahr, sich zu sehr auf Sichtbares, Gewohntes, Bewährtes zu verlassen und nicht mehr offen zu sein für das korrigierende Reden Gottes. Dann kann es sein, dass ER Seine spürbare Nähe für eine Zeit entziehen muss, Dinge, an die wir uns geklammert haben, uns aus den Händen nehmen muss und scheinbar zum fernen Gott wird, obwohl ER noch derselbe ist.

Das war ja die erstaunliche Botschaft des Jeremia an die Leute, die bereits im Exil waren und an die, denen dieses Schicksal noch bevorstand, dass Gott auch dort dabei ist. Dass das alles nicht nur Strafe, sondern auch Chance zum Neuanfang ist.

Sie werden gemerkt haben, dass ich bei diesen Aussagen auch immer mal von „uns“ geredet habe. Das ist kein Versehen, weil das in gleicher Weise auch für die neutestamentliche Gemeinde und jeden einzelnen Gläubigen zutrifft. Zwar haben wir durch Jesus Christus und den in uns wohnenden Heiligen Geist ein noch innigeres Verhältnis zu Gott (1. Brief des Johannes 3,1), aber das berechtigt uns noch lange nicht zu geistlichen Alleingängen.

Und noch eins ist mir neu aufgegangen: Wenn Gott auch ein Gott der Ferne ist, dann ist das auch eine Chance für jeden, der noch fern von Gott ist, Ihn kennen zu lernen, Erfahrungen mit Ihm zu machen und in ein persönliches Verhältnis zu Ihm zu kommen. Gott wartet darauf!

Mit diesen Gedanken grüße ich Sie heute ganz herzlich und wünsche Ihnen einen gesegneten Monat September.

Ihr Karl- Heinz Pohle