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Lieber gläubiger Leser,
ehe wir diesen Monatsspruch etwas näher bedenken wollen, muss ich erst wieder einige Worte zum gesamten Psalm 30 sagen. Beim Lesen dieses Psalms hatte ich nämlich den Eindruck, dass er sehr persönlich und besonders intim ist. Ich weiß, es gibt noch manche andere Psalmen, wie z. B. Psalm 32 oder Psalm 73, wo wir tiefe Einblicke in die Gedankengänge des Beters erhalten, die ihn dann zu wunderbaren Aussagen veranlassen, die noch heute für uns wegweisend sind. Eigentlich sind ja alle Psalmen sehr persönlich, weil es Gebete sind.
Was mich aber hier verwunderte, ist der Umstand, dass im „Untertitel“ als Anlass genannt wird (Vers 1): „ein Lied zur Einweihung des Hauses (Tempels)“. Und vielleicht kommen manchem von Ihnen die gleichen Gedanken, wie sie mir gekommen sind: Was haben bei einem solch höchst öffentlichen Anlass unsere innersten Gedanken und Gefühle zu suchen. Gehören die nicht ins „stille Kämmerlein“. Hier ist man doch Sprachrohr für viele Andere und sollte sich mit seinen Gedanken und Worten darauf einstellen.
Ich weiß, dass das bei manchem eine aktuelle Überlegung ist, gerade auch bei der Frage, wie viel Persönliches in der „Anbetungsstunde“ Platz haben sollte oder eben nicht. Das kann ich hier nicht erörtern. Aber wie ist es bei anderen Gelegenheiten, im Bibel- und Gebetskreis oder bei persönlichen Gesprächen? Ich stelle bei mir selbst eine große Scheu fest, anderen einen Einblick in die eigenen Gedanken und Gefühle zu geben. Man wird dann angreifbarer und es erfordert auch ein großes Maß an Selbstdisziplin und Einfühlsamkeit, um nicht auszuufern oder zu sehr im Mittelpunkt zu stehen. Dass wir aber sehr selten Zeugnisse über persönliche Glaubens-erfahrungen zu hören bekommen, ist sicher auch nicht der richtige Weg, denn das könnte zur gegenseitigen Hilfe beitragen. Dabei geht es gar nicht nur um die „Erfolgsmeldungen“. Warum dürfen nicht auch Irrtümer oder Enttäuschungen zur Sprache gebracht werden? Ich habe gestaunt, wie David seine zu große Selbstsicherheit bekennt, die ich mit meinen Worten so beschreiben würde: „Ich war überzeugt, dass mich so schnell nichts umwirft“ (Vers 7). Und dann hat ihn angesichts seiner körperlichen Befindlichkeiten und zusätzlicher Anfeindungen doch der Mut verlassen.
Das Schlimmste aber war, dass Gott scheinbar sein Angesicht verbarg, dass seine Gebete ins Leere zu gehen schienen. Haben wir solche Erfahrungen nicht auch schon gemacht? Ich muss Ihnen an dieser Stelle gestehen, dass mir das letzte halbe Jahr sehr zugesetzt hat. Es war gekennzeichnet von körperlicher Schwäche und von Beeinträchtigungen, die auf Dauer an die Substanz gehen, zumal wenn man nicht weiß, wo die Ursachen dafür liegen. Dazu nahm ich eine Häufung von Todesfällen in der näheren Bekannt- und Verwandtschaft wahr. Auch wenn ich nur in einem Falle direkt betroffen war, führte es mir doch stärker als sonst die eigene Vergänglichkeit vor Augen. Aber ich darf auch bezeugen, dass ich Hilfe erfahren habe, beim Gebet um Heilung, aber auch bei der medizinischen Betreuung.
Schon der Zuspruch, dass der Herr Jesus (am Kreuz) unsere Krankheiten getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen hat (Prophet Jesaja 53, 4), kann unsere Blickrichtung ändern. Vielleicht ist uns nicht gleich zu Freudensprüngen (Tanzen) zumute, aber im Inneren ist eine Verwandlung vor sich gegangen. Damit sind wir mitten in unserem Monatsspruch, über den ich jetzt noch einige Feststellungen weitergeben möchte:
In diesem Leben gehört beides zusammen, das Erfahren von Leid und Schmerzen, Trauer und Tränen einerseits und das Getröstetsein, neuer Lebensmut bis hin zu überschäumender Freude andererseits. Das Eine ist ohne das Andere nicht zu haben. Das ist mir neu an dem Ausdruck „verwandelt“ deutlich geworden. Verwandeln kann man nur etwas, was in anderer Form da ist. Erst in Gottes Neuschöpfung wird die „negative“ Seite nicht mehr erforderlich sein. Jetzt werden wir noch unterschiedliche Zeiten erleben, denn schon Salomo stellte fest, dass alles seine Zeit hat (Prediger 3,1-8) Wichtig ist, dass wir alles Erleben bewusst mit Gott in Verbindung bringen und aus Seinen Händen nehmen, auch mit Ihm und untereinander darüber sprechen.
Und eine zweite Erkenntnis, die auch nicht neu ist: Inneres und Äußeres Ergehen sind sehr eng miteinander verknüpft, das zeigen mir die beiden Wortpaare unseres Textes. Wenn es der Seele (wieder) gut geht, wird sich das auch in unserem Verhalten oder Äußeren zeigen. Das muss nicht immer heißen, dass alles, was uns zu schaffen gemacht hat, sofort weg ist, aber wir gewinnen neue Zuversicht und unser Verhältnis zum HERRN kann inniger und stärker als zuvor sein.
Ich weiß nicht, in welcher Verfassung Sie sich gerade befinden, aber ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie in allen Situationen die Geborgenheit und die Nähe des Herrn Jesus erfahren, damit es Ihnen in jeder Hinsicht gut geht.
Herzliche Grüße,
Ihr Karl- Heinz Pohle