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Lieber gläubiger Leser,
wenn ich heute dieses Zitat aus Psalm 16 lese oder höre, dann werde ich an die kürzlich von Bruder Volker Miksch gehaltene Predigt über das „Güldene Kleinod“ (so Luther zu Psalm 16) erinnert. Wie viel Hilfreiches und Frohmachendes aus den Glaubenserfahrungen Davids kam da zur Sprache. Leider habe ich mir nicht alles gemerkt, aber besonders eindrücklich war für mich die Zufriedenheit Davids mit seinem von Gott geschenkten Schicksal. Uns wurde dabei deutlich, dass große Teile seines Lebens durchaus nicht rosig waren, und trotzdem kommt er regelrecht ins Schwärmen über das, was Gott ihm als Erbteil und Los (Geschenk und Betätigungsfeld, Gabe und Aufgabe) zugeteilt hat.
Ist das aber nicht ein Verkennen der Realitäten, ein Schönreden der Fakten, indem man das Unschöne einfach ausblendet? Wir Menschen haben das ja drauf, und für manchen mag das eine Art Selbstschutz zu sein, um nicht zu sehr unter Einsamkeit, Unverstandensein, Trauer, Ängsten, und was uns sonst noch bedrängen kann, zu leiden. Oder ist das nicht überhaupt eine viel versprechende Methode, mit den negativen Seiten des Lebens fertig zu werden?
Nun, ich will nicht in Abrede stellen, dass wir in einem gewissen Maß Einfluss darauf haben, welche Gedanken uns beherrschen oder nicht, ob wir immer wieder negative Erfahrungen der Vergangenheit hervorholen und damit lebendig erhalten, oder sie mit einem Willensentschluss im Meer der Gnade Gottes versenken und dort belassen, weil Gott das ja auch tut. Ich will auch nicht negieren, dass hier die Psychologie manche gute Hilfestellung geben kann, wenn sie auf den Spuren dessen bleibt, der wie kein Anderer unsere Seele kennt.
Aber unser Monatsspruch macht deutlich, dass es um mehr als z. B. bestimmte Techniken der Selbstbeeinflussung geht. Es geht vielmehr um ein aus Lebens- und Glaubenserfahrungen erwachsenes Grundvertrauen in das Handeln Gottes und die lebendige Beziehung zu Ihm. Gerade das ist eine Sache, die nicht im Selbstlauf geschieht, sondern gepflegt werden will. Wir wundern uns vielleicht manchmal, wie oft im Alten Testament Erlebnisse des Volkes Israel mit ihrem Gott immer und immer wieder ausgesprochen wurden und sogar die Pflicht bestand, sie an die nächsten Generationen weiter zu geben. Das war letztlich auch für ihr persönliches Verhältnis zu Gott sehr wichtig, und ich denke, dass es für uns heute nicht weniger wichtig ist. Und wenn wir dieses Nachdenken über das Handeln Gottes vielleicht nicht zu jeder Zeit öffentlich machen, zumindest für uns selbst sollten wir die Großtaten unseres Gottes oder auch die kleinen Führungen und Gnadenerweise lebendig erhalten. Manche führen deshalb eine Art Tagebuch, weil das noch besser gegen die „Vergesslichkeit“ hilft. Aber auch solche Gelegenheiten wie ein Jahreswechsel bieten sich geradezu dafür an, und ich bin froh, dass ein solches Wort am Anfang des neuen Jahres steht. Sehen wir es uns noch etwas näher an:
Es beginnt mit einem vertrauten Du, und aus dem gesamten Psalm wird deutlich, dass der so Angeredete kein Geringerer als der Unaussprechliche, der Gott Israels, aber auch sein Gott, der Gott Davids ist. Davids inniges Verhältnis zu Ihm kommt in solchen Aussagen zum Ausdruck wie:„Du bist mein Glück, über dich geht nichts!“ (Vers 2 nach der Jerusalemer Bibel), oder „Du bist es, der mein Los in den Händen hält.“ (Vers 5) und „Er steht mir zur Rechten, dass ich nicht wanke.“ (Vers 8)
Und in unserem Vers heißt es: „Du tust mir kund (wirst mir kundtun) den Weg zum Leben.“
Das zeigt, dass das ein lebenslanger Lernprozess ist, bei dem es wichtig ist, dass wir von uns aus dran bleiben und bereit sind zum Hören und zum Tun. Das klingt nach einer mühevollen Angelegenheit. Aber erstaunlicherweise sagt David etwas ganz Anderes: „Fülle von Freuden ist vor deinem Angesicht…“. Mir kommt es so vor, als ob er hier nach Worten sucht, um das auszudrücken, was man nicht mit wenigen Sätzen beschreiben kann. Und er fährt dann fort:
„Wonne (Lieblichkeiten) in deiner Rechten immerdar (ewiglich).“ Eine andere Übertragung sagt es so: „Ich kann mein Glück nicht fassen, nie hört es auf!“ (nach Hoffnung für Alle) Ich weiß, dass das sicher auch eine Mentalitätsfrage ist, in welcher Form und mit welchen Worten wir unser Verhältnis zu Gott zum Ausdruck bringen. Es geht nicht darum, dass wir uns irgendwie verbiegen und etwas vorgeben, was so nicht da ist. Aber wir dürfen an unserem Verhältnis zu Gott arbeiten und unsere Liebe zu Ihm auch mal in besondere Worte fassen.
Ich weiß, dass David auch ganz andere Psalmen geschrieben hat, und auch uns wird im neuen Jahr nicht immer zum Jubeln zumute sein, aber dass das Gotteslob und das Vertrauen in Seine gnädige und liebevolle Führung einen größeren Platz in unserem Leben einnehmen möchte, das ist mein Wunsch für Sie und mich selbst zum Beginn dieses neuen Jahres.
Ihr Karl- Heinz Pohle