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Epheser- Brief Kap. 4, 29
Lieber gläubiger Leser,
bei diesem neuen Monatsspruch weichen die Übersetzungsmöglichkeiten vielleicht etwas stärker als sonst voneinander ab, aber das kann sogar hilfreich sein, wenn nur der Inhalt nicht verändert wird. Ich bin in diesem Fall bei der Lutherübersetzung geblieben, weil sie mit kurzen, klaren Worten beschreibt, worum es geht, sodass man es sich leichter merken kann. Außerdem haben mich die drei genannten „Maßstäbe“ an eine Geschichte erinnert, die ich vor Jahren einmal gelesen habe, die dem altgriechischen Philosophen Sokrates zugeschrieben wird. Vielleicht kennt sie mancher von Ihnen auch schon, die Geschichte von den drei Sieben:
Eines Tages kommt ein Bekannter zu dem Philosophen gelaufen. „Höre, Sokrates, ich muss dir berichten, wie dein Freund…“ „Halt ein“ unterbrach ihn der Philosoph. „Hast du das, was du mir sagen willst, durch drei Siebe gesiebt?“ „Drei Siebe? Welche?“ fragte der andere. „Ja! Drei Siebe! Das erste ist das Sieb der Wahrheit. Hast du das, was du mir berichten willst, geprüft, ob es auch wahr ist?“ „Nein, ich hörte es erzählen, und…“ „Nun, so hast du sicher mit dem zweiten Sieb, dem Sieb der Güte, geprüft. Ist das, was du mir erzählen willst, wenigstens gut?“ Der andere zögerte. „Nein, das ist es eigentlich nicht. Im Gegenteil …“
„Nun“, unterbrach ihn Sokrates, „so wollen wir noch das dritte Sieb nehmen und uns fragen, ob es notwendig ist, mir das zu erzählen, was dich so zu erregen scheint.“ „Notwendig gerade nicht…“ „Also“, lächelte der Weise, „wenn das, was du mir eben sagen wolltest, weder wahr, noch gut, noch notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste weder dich noch mich damit.“
Wenn schon menschliche Vernunft zu solchen Einsichten fähig ist, wie viel mehr sollten wir auf die Hinweise des lebendigen Wortes Gottes achten. ER, der uns geschaffen hat, kennt uns noch besser als wir uns selbst, vor allem auch die Schwachstellen, die uns oft zum Verhängnis werden können. Schauen wir uns den Monatsspruch also noch etwas näher an.
Im Vergleich zu der Geschichte werden hier die Akzente ein wenig anders gesetzt. Vielleicht vermissen wir an dieser Stelle das „Sieb“ Wahrheit. Es fehlt hier ganz sicher nicht, weil es eine untergeordnete Rolle spielt, sondern weil es eine Grundvoraussetzung ist. Bewusste Lüge oder Unwahrheit trennt von Gott und spielt dem Teufel, dem Vater der Lüge, in die Hände. Deshalb ist Lügen kein harmloses Delikt (Offenbarung 22, 15) und wir werden eindeutig angehalten: „.. redet Wahrheit ein jeder mit seinem Nächsten…“ (Epheser 4, 25).
Der erste Prüfstein ist hier, ob etwas „gut“ ist. Aber ist uns damit schon klar, was gemeint ist? Denn selbst der Herr Jesus sagt sinngemäß einmal: „Wer oder was ist schon gut, außer Gott?“ Aber vielleicht hilft uns da, was im Vorspann zu unserem Wort gesagt wird: „Kein faules (oder verdorbenes, giftiges) Wort gehe aus eurem Mund hervor.“ Und sicher müsste man es noch um einige andere Begriffe ergänzen: lieblos, rechthaberisch, klatschsüchtig, übertrieben.
Der zweite Maßstab ist die „Erbaulichkeit“. Um hier nicht missverstanden zu werden: Es geht nicht darum, ob das Gesagte bei mir oder anderen ein erbauliches Gefühl hervorruft, sondern ob es mir hilft, mich in den „Tempel“ Gottes einfügen zu lassen, und ob es zum Bau der Gemeinde im Ganzen beiträgt, oder eher zerstörerisch wirkt, Parteiungen oder Trennungen in der Gemeinde oder dem gesamten „Leib Jesu“ verursacht.
Und das dritte ist die „Notwendigkeit“. In dem Begriff steckt schon drin, was gemeint ist: Trägt das Gesagte dazu bei, Not zu wenden oder abzuwenden? In diesem Zusammenhang ist sicher die Frage des Zeitpunktes, des Auftrages, des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Anderen und mir sehr sensibel zu bedenken und im Gebet vorzubereiten. Ziel ist, und das steht auch in unserem Wort, dass das Gesagte beim Hörer Segen hervorruft.
Ich weiß, dass wir in unserer Gemeinde sehr darum bemüht sind, ein gutes Verhältnis zu einander zu haben und dennoch denke ich, dass auch wir dieses Wort nötig haben, weil hin und wieder deutlich wird, dass unter der Oberfläche doch Unzufriedenheiten, Abgrenzungen und unterschiedliche Standpunkte da sind, die auch durch unser Reden genährt werden.
Und noch ein Wort zum Schluss: All das Gesagte gilt natürlich in erster Linie für unser Reden miteinander, zu Hause, in der Gemeinde, eigentlich gegenüber allen Menschen. Vielleicht darf man es aber in gewissem Umfang auch auf das Predigen anwenden. Zumindest bei der Auswahl der Themen können uns diese Kriterien sicher eine gute Hilfe sein.
Herzliche Grüße und Segenswünsche,
Ihr Karl- Heinz Pohle