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Lieber gläubiger Leser,
wenn man Wort Gottes in irgendeiner Form weitergibt, dann ist eine gewisse Zurückhaltung bzw. Respekt vor dem Auftrag(-geber) angebracht, weil man ja nicht nur die eigene Meinung äußern will. Und besonders vorsichtig bin ich persönlich bei Aussagen über die Person und das Wesen Gottes, weil ich mir da am stärksten meines begrenzten Verstandes bewusst bin. Aber wenn wir Sein Wort vermitteln wollen, kommen wir um solche Aussagen nicht herum, z. B. auch bei der Frage nach dem Heiligen Geist, um den es letztendlich im Monatsspruch für den Juni geht.
Ich denke noch an die gemeinsamen Jugendstunden mit anderen Jugendgruppen zurück, wo wir darüber diskutiert haben, ob der Heilige Geist eine Person oder „nur“ eine Kraft ist, denn für beide Sichten lassen sich biblische Belege finden. Er ist beides. Oder die Frage, wann und wie ich den Heiligen Geist empfange und wie es sich mit den so genannten Geistes- oder Gnadengaben verhält. Darüber ist schon viel gesagt und geschrieben worden, sodass ich das nicht alles wieder aufzurollen brauche. Aber persönlich sollte sich jeder immer wieder einmal seinen Glaubensstandpunkt in dieser oder jener Frage bewusst machen.
In unserem heutigen Wort geht es ja auch nicht so sehr um die Person, sondern um eine der Wirkungen des Heiligen Geistes in unserem Leben, dargestellt am Bild einer Frucht. An diesem Bild wollen wir uns orien-tieren, auch wenn die geistliche Wirklichkeit dahinter vielschichtiger ist. Das erste, woran ich bei „Frucht“ denke, ist, dass es etwas nach und nach Gewachsenes ist. Frucht ist nicht selbstverständlich und auch nicht zu jeder Zeit da. Es gibt da schon gewisse Voraussetzungen, die ein Gärtner oder Botaniker viel besser erläutern könnte als ich.
Ich bin mir nicht sicher, ob überhaupt jeder Baum Fruchtträger ist, aber selbst die Obstbäume müssen erst veredelt werden, wenn sie genießbare Früchte hervorbringen sollen. Es hängt also sehr viel ab von der Wahl des „Gehölzes“, vom Standort, von den Umweltbedingungen und von der Pflege. Ich musste da an die Aussage unseres HERRN denken: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht. Denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ (Johannes-Evangelium Kap. 15, 5). Lest ruhig einmal den ganzen Abschnitt von Vers 1 bis Vers 17, der noch manche wichtige Aussage zum Thema enthält.
Es geht auch nicht gleich mit der Frucht los. Meist kommen zuerst die Blätter, dann Blüten, die „befruchtet“ werden müssen, ehe eine Frucht in einem längeren Prozess wachsen und heranreifen kann. Auch wenn es Bäume gibt, die in bestimmten Gegenden mehrmals im Jahr Frucht tragen oder parallel Knospen, Blüten und Früchte zu gleicher Zeit hervorbringen, ist dies doch die Regel. Frucht ist also nicht in erster Linie ein Geschenk, sondern die Folge einer lebendigen Verbindung. Hier liegt z. B. auch der gravierende Unterschied zu den Gaben des Geistes, die unabhängig vom Reifegrad des „Trägers“ geschenkt werden (was gelegentlich zu Schwierigkeiten führen kann). Deshalb ist aus meiner Sicht die Frucht höher zu bewerten als die Gaben (siehe dazu 1. Korinther-Brief Kap. 13). Mit der eben genannten Bibelstelle sind wir schon mitten in der Entfaltung der Frucht, die wir uns jetzt noch ein wenig näher ansehen wollen.
Das erste Merkmal, das genannt wird, ist die Liebe. Viele Ausleger meinen sogar, dass sie das Hauptmerkmal ist und die anderen genannten Merkmale nur unterschiedliche Ausprägungen derselben Sache sind. Wenn das stimmt, dann müssten viele von den hier genannten Begriffen auch bei der Beschreibung der Liebe wieder auftauchen (1. Korinther-Brief Kap. 13, 4-7). Vergleichen Sie einmal! Es ist auch die Frage, ob diese Aufzählung vollständig ist, oder ob nicht auch noch andere Punkte dazu gehören könnten? Wenn wir bei dem Bild der Frucht bleiben, dann ist klar, dass es ganz unterschiedliche Fruchtsorten gibt, und selbst innerhalb einer Sorte gleicht nicht eine Frucht haargenau der anderen in Form, Farbe, Geschmack usw. Ich will die einzelnen Eigenschaften deshalb nicht näher kommentieren, weil jede eine eigene Bibelarbeit erfordern würde, die Sie gerne nachholen können.
Viel wichtiger erscheint mir der Hinweis, dass eine Aufzählung wie diese nicht dafür gedacht ist, sie an andere anzulegen und diese zu bewerten oder gar mit sich selber zu vergleichen, weil es eben keine menschliche Leistung, sondern Frucht des Heiligen Geistes in uns ist. Vielmehr kann sie uns zur Selbstprüfung dienen, „ob wir im Glauben sind“ (2. Korinther-Brief Kap. 13, 5). Dass das kein theoretisches „Abhaken“ ist, sondern an der Lebensführung abzulesen sein muss, zeigt mir das Selbstzeugnis des Apostel Paulus im 2. Korinther-Brief Kap. 6, 4-10.
Mein Wunsch ist, dass in der kommenden Zeit nicht nur auf den Feldern und in unseren Gärten eine neue Ernte heranreift, sondern auch unser aller Leben nicht ohne Frucht bleibt!
Herzliche Grüße,
Ihr Bruder Karl- Heinz Pohle