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November

Lernt, Gutes zu tun! Sorgt für das Recht! Helft den Unterdrückten! Verschafft den Waisen Recht, tretet ein für die Witwen.

Prophet Jesaja Kap.1 Vers 17

Lieber gläubiger Leser,

diese Thematik ist in gewisser Weise eine Fortsetzung zu den Gemeindebriefen vom Oktober 2013 und 2014. Besonders das Thema „Opfer“ wird im Vorspann zu unserem Monatsspruch noch einmal ausführlich und in ziemlicher Schärfe angesprochen, und ich denke, wir sollten es nicht einfach übergehen, damit wir die Schlussfolgerungen daraus besser verstehen können. Vielleicht habt Ihr Euch gewundert, als ich sagte, dass Gott die Opfer eigentlich nicht gewollt hat. Hier wird noch einmal begründet, warum Er zu dieser Ablehnung kommen musste.

Das, was als Möglichkeit zur „Sündenzudeckung“ und Wiederherstellung der Gemeinschaft mit Gott gedacht war, hatte der Mensch in mehrerlei Hinsicht pervertiert. Zum einen, indem er nicht mehr das Wertvollste und Beste, sondern das Erstbeste, also auch das Minderwertige und Fehlerhafte, darbrachte. Und, was noch viel schlimmer war, man nutzte die Opfer als Mittel zum Zweck, Gott besänftigen zu wollen, ohne die verkehrte Lebensweise zu ändern. Da spielt Gott nicht mit und hört auch nicht auf noch so intensives Gebet (lies Verse 11-16). Was Er will, ist eine Sinnesänderung, aber eine, die sich nicht nur in unserem Herzen abspielt, sondern ganz praktische und handfeste Auswirkungen für unser Verhalten hat.

Wie die u. a. aussehen können, zeigt unser neuer Monatsspruch auf, und wir sollten nicht zu schnell einen Unterschied zwischen Alten Testament und Gemeinde Jesu machen wollen. Nein, es geht hier nicht um „Werkgerechtigkeit“, aber es gibt eine soziale Verantwortung, die für die Gemeinde eher noch größer geworden ist und die wir mit einem Hinweis auf unser „Bürgertum in den Himmeln“ nicht einfach abtun können. Es mag sein, dass das, was der Herr Jesus in Matthäus- Evangelium Kap. 25, 31-46 über die Bewertungskriterien beim Endgericht sagt, nicht zuerst an die Gemeinde gerichtet ist, aber ihre generelle Bedeutung wird betont (Vers 32), und Anklänge für diese Sicht sind auch an anderen Stellen des Neuen Testamentes zu finden.

Ich will damit nicht der „Befreiungstheologie“ das Wort reden, die das Evangelium zuallererst sozialkritisch versteht, aber dass wir dieses Feld weitgehend anderen überlassen, ist sicher auch nicht der richtige Weg. Was für ein Segen könnte es sein, wenn noch mehr Christen in örtlichen oder staatlichen Schaltstellen ihre Glaubensposition einbringen könnten. Aber auch für den „Normalbürger“ gibt es manche Möglichkeit, sich zum Wohle anderer zu engagieren oder gegen Unrecht die Stimme zu erheben. Sicher, wir sind das von unserer Geschichte her nicht gewöhnt, aber nicht umsonst spricht unser Monatsspruch von einem Lernprozess.

Vielleicht befürchten wir eine Verschiebung der Schwerpunkte, aber wenn Gott selbst auf berechtigte eigene Ansprüche zu Gunsten Benachteiligter verzichtet, dann kann das nicht so verkehrt sein. Bezeichnend ist für mich auch, was der Herr Jesus in diesem Zusammenhang den Schriftgelehrten und Pharisäern ins Stammbuch schreibt (Matthäus-Evangelium Kap. 23, 23). Es kann sein, dass noch ganz andere Zielgruppen als Witwen und Waisen in unser Blickfeld gerückt werden und uns zu einer Positionierung herausfordern, ob wir das wollen oder nicht.

Ich will stellvertretend nur ein paar nennen:
Da ist die Manipulation am ungeborenen Leben (Abtreibung, Selektion, Euthanasie u. ä.). Der Mensch schwingt sich zum Richter darüber auf, welches Leben lebenswürdig ist oder nicht.
Da sind die vielfältigen Angriffe auf die besondere Stellung von Ehe und Familie, die nicht ohne Auswirkungen auf das gesamte gesellschaftliche Gefüge bleiben.
Da sind „Deutschlands vergessene Kinder“ (so der Titel eines Buches von Bernd Siggelkow,
dem Leiter der „Arche Berlin“), die vor allem in den Großstädten immer mehr zum Problem werden.
Der Ruf nach Legalisierung der aktiven Sterbehilfe beschäftigt mittlerweile schon die Politik,
und wir sollten zumindest im Gebet bei der Entscheidungsfindung ein Wort mitreden.
Und da ist das ganz aktuelle Problem der Ausländerpolitik, die das Potenzial hat, die Nation zu spalten, wenn nicht behutsam damit umgegangen wird. Das Wort Gottes hat uns auch dazu Entscheidendes zu sagen, und wir können in unserem Umfeld mit unserem Reden und auch konkreten Hilfen zur Entschärfung der Lage beitragen.

Ich will nochmals klarstellen: Es geht nicht darum, dass wir als Gemeinde oder Einzelne den Hauptauftrag, das Evangelium zu verkündigen, vernachlässigen, aber wir sollen verstehen lernen, dass das Evangelium auch alle Lebensbereiche durchdringen muss. Mit diesen bruchstückhaften Überlegungen grüße ich Sie ganz herzlich und wünsche Ihnen einen gesegneten Monat November,

Ihr Karl- Heinz Pohle