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Lieber gläubiger Leser,
bei der Angabe der Bibelstelle wird mancher von Euch stutzen, weil er sie in seiner Bibel gar nicht findet. Es ist nämlich ein Zitat aus einer von mehreren apokryphen Schriften, die von den Reformatoren nicht zum biblischen Kanon gezählt wurden, weil sie in der hebräischen „Bibel“ (Tanach) auch nicht enthalten waren. Martin Luther bezeichnete sie als “nützliche“, aber nicht „heilige“ Schriften. Katholische und orthodoxe Kirche rechnen einige von diesen Schriften aber zum erweiterten Kanon oder zu den „Spätschriften des Alten Testaments“, weil sie in der „Septuaginta“ (der älteren griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel) noch Bestandteil jener Bibel waren. Deshalb sind sie in deren Bibelübersetzungen meist mit enthalten. Dieser Sachverhalt muss uns jetzt aber nicht irritieren, weil wir einzelne Bibelworte sowieso immer in den gesamtbiblischen Zusammenhang stellen müssen. Wir werden sehen, was auch andere Bibelstellen zu diesem Thema zu sagen haben.
Dieser Monatsspruch ist für mich aus einem ganz anderen Grund schwierig: Wenn ich bei der fortlaufenden Bibellese immer wieder einmal an Opfervorschriften oder Anweisungen für bestimmte Feiertage komme, dann erschlägt mich beinahe die Fülle der verschiedenen Opfer und die Anzahl der geopferten Tiere und was sonst noch alles dabei zu beachten war. Ich bin mir nicht sicher, ob ich da immer alles richtig gemacht hätte und ob es immer nur eine Freude gewesen wäre. Das mag aber mit unserer ganz anderen Lebenssituation zusammen hängen.
Auf jeden Fall finde ich es dann sehr entlastend, zu hören, dass Gott diese Opfer eigentlich gar nicht gewollt hat (Ps. 40, 7 - 9 und Hebr. 10,1 - 7). Aber warum hat Er sie dann trotzdem angewiesen? Weil Er nach einem Weg suchte, dem Menschen seine Sünden vergeben zu können. Und ohne Blutvergießen ist keine Vergebung möglich (Hebr. 9, 22). Die Bibel erklärt diesen Zusammenhang nicht näher, aber ich denke, dass auch dieses „Geheimnis“ einmal gelüftet werden wird. Doch eins wird deutlich, dass wir es nicht mit einem unersättlichen, gar blutrünstigen Gott zu tun haben, sondern es geht hier um ein Entgegenkommen von Ihm.
Die Menge der Opfer sollte uns deshalb eher an die Vielzahl und Schwere unserer Sünden erinnern. Und weil all diese Opfer nicht ausreichten, musste zuletzt Sein Sohn, Jesus Christus, sterben (Hebr. 10, 11 - 14). Das ist auch der Grund, warum die Opferriten des Alten Bundes von der Gemeinde Jesu nicht mehr ausgeübt werden.
Hat uns dann aber obiger Monatsspruch überhaupt noch etwas zu sagen? Ich denke doch!
In 1. Petr. 2, 5 wird gesagt: „Lasst euch auch selbst als lebendige Steine aufbauen, als ein geistliches Haus, ein heiliges Priestertum, um geistliche Schlachtopfer darzubringen, Gott hochwillkommen durch Jesus Christus!“
Dabei ist nicht nur an die Mahlfeier zu denken, obwohl dieses Anliegen dort ein wesentlicher Bestandteil ist. Denn neben der Erneuerung der Beziehung zu Gott und der Anbetung Gottes, hatten die Opfer auch immer einen Gemeinschaft stiftenden Aspekt. Aus diesem Grund umfasst der Begriff „Opfer“ auch alle Erfordernisse in der Beziehung untereinander, wie z. B. die persönliche Heiligung, die Seelsorge aneinander, die Fürsorge füreinander usw.
In Hebr. 13, 16 werden wir direkt aufgefordert: „Das Wohltun und Mitteilen aber vergesset nicht! Denn an solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen.“ Opfer sind also Sachen, die uns etwas abfordern, an Zeit, Kraft, Geduld oder auch materiellen Dingen und auch da gilt sicher, dass wir dabei nicht knauserig sein sollen.
Im Monatsspruch steht aber noch ein anderer Begriff: „Erstlingsgaben“. Dabei denken wir zunächst an die Erträge von Feld und Garten, obwohl es auch Vorschriften für den Umgang mit den Erstlingen von Menschen und Tieren gab, die ich hier aber nicht näher erörtern will.
Das zuerst Geerntete, aber auch das Beste von Öl, Most, Getreide, allen Baumfrüchten und vom Honig war in das Haus des Herrn zu bringen (2. Mose 23,19; 4. Mose 18, 12) und gehörte den Priestern. Der Darbringende legte dabei ein Bekenntnis zu den wunderbaren Führungen seines Volkes ab
(5. Mose 26, 1 - 11). Dafür gab es in Israel extra 2 Feste, die neben dem Passah mit einer Wallfahrt nach Jerusalem verbunden waren: Das „Wochenfest“ (50 Tage nach dem Passahfest bzw. dem Beginn der
Getreideernte) und das Laubhüttenfest nach Einbringung der Ernte (5. Mose 16, 9 - 17). Durch das Geben der Erstlinge wurde das Ganze geweiht und damit anerkannt, dass alles dem Herrn gehört. Danach konnte
das Volk in aller Fröhlichkeit die neuen Erträge genießen.
Wenn wir nun in diesem Monat das Erntedankfest feiern, dass wohl an das Laubhüttenfest angelehnt ist, kann uns der eine oder andere Gedanke vielleicht dabei eine Hilfe sein.
Viel Freude und herzlichge Grüße
Ihr Karl-Heinz Pohle