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April

Wahrhaftig, dieser war Gottes Sohn!
                                                                            Matth. 27, 54

Liebe Geschwister,

wir gehen auf Ostern zu, wo die Leidensgeschichte unseres Herrn Jesus Christus wieder in besonderer Weise im Mittelpunkt stehen wird. Für eine Gemeinde, die fast jeden Sonntag des Leidens und Sterbens Jesu gedenkt, ist es vielleicht gar nicht so einfach, sich immer wieder neu in dieses Geheimnis mit hinein nehmen und tief berühren zu lassen Aber ich hoffe, der neue Monatsspruch kann uns dabei helfen.

Diesmal erleben wir das Kreuzesgeschehen aus dem Blickwinkel eines Mannes, der nicht freiwillig handelnde Person und Zuschauer bei diesem makaberen „Schauspiel“ sein musste: der Hauptmann des Hinrichtungskommandos. Wir wissen nicht genau, ab wann er in Aktion trat. Vielleicht war er schon bei der Nacht- und Nebelaktion im Garten Gethsemane dabei, als Jesus von einem Seiner Freunde verraten wurde und schon dort die ganze Souveränität Jesu aufblitzte, als Er sich nicht wehrte und sogar noch schützend vor Seine Anhänger stellte, sogar einen verletzten Häscher heilte (Lk. 22, 47-53). Ich kann auch nicht mit Sicherheit sagen, ob der Hauptmann und seine Truppe während des ganzen Verhörs beim Hohenpriester und später bei der Gerichtsverhandlung vor dem Hohen Rat dabei war. Auf jeden Fall gab es genügend Berührungspunkte, denn sie mussten für die Sicherheit sorgen und den Gefangenen von einer „Behörde“ zur anderen bringen. Aber sie waren keinesfalls nur Helfershelfer, die ihre Befehle auszuführen hatten, sondern beteiligten sich aktiv an der Verunglimpfung des vermeintlich wehrlosen Übeltäters. Das wird deutlich, als sie eine Art „Maskenball“ veranstalteten, um Ihn als angeblichen Judenkönig lächerlich zu machen oder später mit einer grausamen Variante „Blinde-Kuh-Spiel“, bei dem Er weissagen sollte, wer Ihn geschlagen hätte, um Ihn als religiösen Hochstapler hinzustellen (Lk. 22, 64).

Wie zu Tode erschrocken wäre manch einer gewesen, wenn der Herr Jesus hier wirklich von Seiner Vollmacht Gebrauch gemacht hätte! Ganz sicher waren sie auch dabei, als vor dem Stadthalter Pilatus diesem Justizskandal noch ein Mantel von Rechtstaatlichkeit verliehen werden sollte. Manches mag ihnen dabei seltsam und vielleicht auch fragwürdig vorgekommen sein, aber das hat sie nicht davon abgehalten, bei dieser Farce mitzumachen und so Handlanger des Bösen zu werden.

Auch die scheinbare Machtdemonstration des Herodes mag bei ihnen manche Fragen offen gelassen haben, aber es ist kein Umdenken erkennbar. Und so nimmt die Tragödie ihren erwarteten Verlauf und Jesus wird zur Hinrichtung auf den dafür vorgesehenen Richtplatz außerhalb der Stadt gebracht, wo unsägliche körperliche und seelische Qualen auf Ihn warteten.

Viele haben versucht, sich da hinein zu verdenken und auch wir versuchen das mit der Hilfe von Aussagen des Alten und Neuen Testamentes und müssen doch bekennen, dass wir es in der ganzen Tiefe nicht können. Damals war es für Viele nur ein Nervenkitzel, jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt. Und so sehen wir auch die Soldaten noch unter dem Kreuz ganz aktiv in ihrer unrühmlichen Mission (Lk. 23, 36).

Ich frage mich schon die ganze Zeit, welche Rolle der Hauptmann dabei gespielt haben mag? Es gibt keinen Grund, ihn in Schutz zu nehmen, aber dass er nicht ganz verroht war, zeigt mir die Tatsache, dass (auf seinen Befehl hin?!) Simon von Cyrene gezwungen wurde, Jesus auf dem Weg nach Golgatha eine Zeitlang das Kreuz abzunehmen (Lk. 23, 26). Und auch am Kreuz muss er mit wachen Sinnen und innerer Anteilnahme das Geschehen verfolgt haben, sonst könnte er am Ende nicht eine solche Aussage machen, wie sie jetzt in unserem Monatsspruch steht. Zugegeben, es ist nicht das Ergebnis feinsinnigen Nachdenkens, sondern eine Offenbarung durch den Heiligen Geist (vergl. 1. Kor. 12, 3). Ob es auch das Bekenntnis seines persönlichen, neu gewonnenen Glaubens ist, kann man nur mutmaßen, denn die Bibel berichtet nichts weiter über ihn. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses ganze Erleben ohne Auswirkung auf sein weiteres Leben geblieben ist. Auch, dass er hier in der Vergangenheitsform spricht: „…dieser war Gottes Sohn“, sollten wir ihm nicht zu sehr ankreiden, denn nicht einmal die engsten Nachfolger Jesu haben in dieser Situation begriffen, was hier eigentlich geschah. Unsere Aufgabe ist es auch nicht, den Glauben des Hauptmannes zu beurteilen.

Viel entscheidender ist, was das Geschehen von Golgatha bei uns auslöst: Ob wir nur zu Bewunderern einer heldenhaften Tat eines außergewöhnlichen Menschen werden, oder den Herrschaftsanspruch Jesu über unser Leben anerkennen und Ihm auch immer wieder einräumen, weil Er für unsere Sünden bezahlt und uns ewiges Leben in der Gemeinschaft mit Gott erworben hat. Und ob wir aus Liebe bereit sind, Ihm zu dienen und Ihn zu ehren.

Lasst uns im Blick auf Ostern in den „alten“ Siegesruf der Gemeinde Jesu mit einstimmen:

Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!

Euer Karl-Heinz Pohle