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Februar

 

Ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht; 
denn es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der daran glaubt.      

Römer Kap.1 Vers 16


Lieber gläubiger Leser,

ist es Ihnen auch schon einmal passiert, dass Sie ein Wort Gottes, das in einem ganz anderen Zusammenhang gesagt wurde, an einer Stelle trifft, die Sie nicht erwartet hatten? Mir ging es beim ersten Lesen des obigen neuen Monatsspruches so, sodass ich sogar kurz überlegt habe, ob ich lieber ein anderes Bibelwort wählen sollte. Auslöser war die Aussage des Paulus, dass er sich des Evangeliums nicht schämt. Könnte ich das ohne Wenn und Aber von mir behaupten, ohne heucheln zu müssen?

Nun ja, sich wegen des Evangeliums oder wegen des Glaubens an Jesus Christus zu schämen, trifft die Sache vielleicht doch nicht ganz, denn wenn man von mir Rechenschaft fordert über das, was ich glaube, bin ich schon bereit, entsprechend zu antworten (vergl. 1. Petrus-Brief Kap. 3,15). Und das habe ich in der Vergangenheit schon getan, wenn auch oft in stammelnder Weise. Aber wie schwer tue ich mich, auch ungefragt Zeugnis von meinem Glauben abzulegen oder einfach ein helfendes oder klärendes Wort in einer bestimmten Situation zu sagen, auch wenn der andere nicht glaubt! Oder gilt das Wort an Timotheus, zu gelegener und auch ungelegener Zeit „drauf zu halten“ (2. Timotheus-Brief Kap. 4, 2) nur für die Gemeinde (was schwer genug sein kann)? Könnte es nicht auch für den persönlichen Umgang mit allen Menschen gelten?

Noch deutlicher und unmissverständlicher spricht der Prophet Hesekiel in Kap. 3, 17-21 von dem „Wächteramt“, das letztendlich auch wir für die Menschen unserer Zeit haben? Ich habe mich gefragt, wo die Gründe für mein (unser?) zögerliches Handeln liegen könnten und kann dabei zunächst nur für mich selber reden. Da ist die durchaus unterschiedliche Begabung in einer Sache, auf die ich mich gern berufe. Wer mich kennt, weiß, dass mir nicht nur das öffentliche Reden schwer fällt, sondern auch im privaten oder familiären Umfeld bin ich eher sparsam mit Worten, was ich mir nicht gerade als Stärke anrechne. Allerdings durchbricht Gott selbst manchmal das „Begabungsprinzip“ und lässt dann auch scheinbar berechtigte Einwände nicht unbedingt gelten (z.B. bei Mose und Jeremia).

Ein weiterer Grund ist eine falsch verstandene Diskretion oder Toleranz. Ja niemandem zu nahe kommen oder ihn gar in seiner persönlichen Freiheit einschränken, auch wenn das dem anderen eine Hilfe wäre. Das könnte einem ja als Diskriminierung ausgelegt werden! Diese Sichtweise teile ich zwar nicht, aber unterschwellig schwingt trotzdem oft der Gedanke mit: „Habe ich denn das Recht, in die Privatsphäre des anderen einzudringen?“ Das gilt besonders, wenn wir meinen, familiäre oder freundschaftliche Rücksichten nehmen zu müssen. Hier ist sicher entscheidend, wie ich den anderen sehe. Ist er mir eher egal oder wichtig, halte ich ihn eher für einen hoffnungslosen Fall oder ein, wenn auch entstelltes, Ebenbild Gottes? Sehe ich in ihm nur den Erfolgreichen, dem ich in mancherlei Hinsicht nicht das Wasser reichen kann, oder den, der trotzdem in den entscheidenden Fragen Hilfe braucht.

Das wiederum hängt stark davon ab, welchen Stellenwert das Evangelium in meinem eigenen
Leben hat. Wie tragisch empfinde ich die Trennung von Gott, die Verlorenheit und die Versklavung unter die Sünde und wie konkret nehme ich all die Aussagen der Bibel über die Folgen eines solchen Lebens, wenn Gott nicht in ein Leben eingreifen darf. Es geht also nicht um Kosmetik für Unebenheiten im Leben, sondern um die Frage nach Leben oder Tod.

Können wir andererseits noch darüber staunen, welch unbegreiflichen Rettungsweg Gott in der Hingabe Seines Sohnes Jesus Christus geschaffen hat und welche Auswirkungen das schon jetzt auf unser Leben hat und auch für andere haben kann? Wir merken, dass die ganze Sache sehr stark mit unserem Glauben zu tun hat, jedenfalls ist mir das im Laufe der Überlegungen neu bewusst geworden. Der Apostel Paulus hat dieses Wort nicht gesagt, um sich irgendwie heraus zu stellen, und schon gar nicht, um mir oder auch Ihnen ein schlechtes Gewissen zu machen, sondern es ist vielmehr ein Jubelruf über die erfahrene und ganz neu erfahrbare Kraft Gottes, die in dem Evangelium steckt. Und Paulus möchte uns mit seinem Ausspruch anspornen, diese Kraft mehr zu nutzen. Dass sie gelegentlich auch ohne unser Zutun wirkt, ist eine ganz andere Sache, die wir dankbar annehmen können. die aber nicht als Beschwichtigung dienen sollte. Gott will uns bewusst einbeziehen, weil diese Kraft zuallererst uns selber verändern soll und dann einen Weg zum Herzen des Nächsten bahnen und auch bei ihm Glauben wecken kann.

Lieber Leser, jetzt bin ich doch froh, dass ich diesem Bibelwort nicht ausgewichen bin, und ich wünsche auch Ihnen, dass Sie gute Erfahrungen damit machen möchten.

Herzliche Grüße und Segenswünsche,

Ihr Karl- Heinz Pohle