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Das Gute nehmen wir von Gott an, sollten wir da nicht auch das Böse annehmen?
Buch Hiob 2, 10
Lieber gläubiger Leser,
im Gegensatz zum vorherigen Monatsspruch ist das eine Aussage, bei der wir, so denke ich, nicht unbedingt mit einem spontanen „Ja“ antworten würden und vielleicht auch nicht sollten, ehe wir nicht die Konsequenzen einer solchen Haltung bedacht haben. Es ist dann trotzdem noch ein großer Unterschied, ob ich mögliche Folgen theoretisch „durchspiele“, oder ob ich sie existenziell am eigenen Leibe erfahre. Da geht es ja nicht nur darum, Nachteile in Kauf zu nehmen, materielle und ideelle Verluste zu erleiden, Unannehmlichkeiten und Schmerzen zu ertragen, sondern es werden Beziehungen zu Menschen, die uns wichtig sind, auf die Probe gestellt und nicht zuletzt auch unser Verhältnis zu Gott. Das alles können wir anschaulich an der Geschichte Hiobs ablesen. Und gerade die Situation, aus der unser Bibelwort entnommen ist, empfinde ich als besonders dramatisch:
Da hat ein Ehepaar nach Jahrzehnten einer gut geführten und gesegneten Ehe, die herbesten Verluste erlitten, die man sich nur denken kann: Alle Kinder, zu denen sie ein gutes, inniges Verhältnis hatten und die die Hoffnung für das Alter waren, wurden ihnen mit einem Schlag genommen, die materielle Basis brach von heute auf morgen weg. Und jetzt kam noch die schwere Krankheit des Mannes und der damit verbundene Verlust der gesellschaftlichen Stellung dazu. Meine Reaktion auf die Haltung von Hiobs Frau in dieser Situation schwankt zwischen Verständnis einerseits und Empörung andererseits. Wie kann man den Partner, mit dem man „ein Fleisch“ geworden ist und dem man Treue geschworen hat, so im Stich lassen und nun auch noch versuchen, dessen Gottesbeziehung kaputt zu machen? Zum Glück ist hier die Beziehung zu Gott stärker, sodass diese Ehe nicht zwangsläufig daran zerbrechen muss.
Auch wenn es vielleicht noch mehr heftige Worte zwischen den Beiden gegeben haben mag, die sachliche und vom Glauben geprägte Reaktion Hiobs erstaunt mich in mehrerlei Hinsicht. Da hat er in all den Jahren, als es ihm gut ging, das nicht als Selbstverständlichkeit angesehen oder gar seiner eigenen Leistung zugeschrieben, auch wenn er manchen Grund dazu gehabt hätte. Nicht umsonst bestätigt ihm Gott ein vorbildliches Leben. Aber darüber spricht er nicht (erst in der Auseinandersetzung mit seinen Freunden kommt etwas von seiner Frömmigkeit, Gottesfurcht und Nächstenliebe zur Sprache). Hier aber bekennt er klar und eindeutig, wer der Ursprung und Geber alles Guten ist, trotz dem, was er gegenwärtig erlebt.
Der zweite Teil seiner Aussage ist schon etwas schwieriger zu verstehen. Sieht er etwa in Gott auch den Absender des Bösen? Aus seinen Verteidigungsreden Gott gegenüber könnte man das evtl. schlussfolgern. Vielleicht müssen wir erst einmal klären, was hier mit dem „Bösen“ gemeint ist. Wenn wir die Geschichte, die sich im Hintergrund abspielt, mit bedenken, könnte man leicht auf den Gedanken kommen, dass damit das Teuflische oder der Böse schlechthin gemeint ist. Aber von dem allen hat Hiob ja nichts gewusst, und was für ein verschrobenes Gottesbild müsste er haben, um Gott nur annähernd mit dem Bösen in Verbindung zu bringen. Er hatte zwar noch nicht die klaren Aussagen, wie wir sie im Neuen Testament finden, z. B.: „Gott ist Licht und gar keine Finsternis ist in Ihm“ (1. Brief Johannes 1, 5), und er verstand auch nicht alles, was da grade mit ihm passierte und trotzdem vertraute er durch alle Anfechtungen und Zweifel hindurch auf die Gerechtigkeit und Heiligkeit „seines“ Gottes.
Wäre es nicht absurd, die Machenschaften des Teufels einfach hinzunehmen? Wir werden ja aufgefordert, mit allen zur Verfügung stehenden Mittel dagegen anzukämpfen (Epheser 6, 13ff) Ich neige deshalb mehr zu der Sichtweise, wie sie einige Übersetzer zu Ausdruck bringen, wenn sie von dem „Unheil“ oder dem „Schlechten“ reden. Es geht hier also mehr um das, was wir als ungerecht, unverdient, Verlust, Nachteil, Überforderung, Härte oder Strafe empfinden. Aber sollen wir das auch einfach so hinnehmen, weil das Leben nun einmal so ist und wir uns nicht nur die „Rosinen“ herauspicken können. Ich denke, es geht hier um weit mehr als einen „gerechten“ Ausgleich, der nun mal zu dieser gefallenen Welt dazugehört.
Wenn wir Gott, wie gesagt, nicht als Absender des „Bösen“ sehen, aber als den, ohne dessen Zulassung nichts geschieht, dann wird deutlich, dass das keine Willkür von Ihm ist, sondern, dass Er gute Absichten damit verfolgt, weil das einfach Sein Wesen ist. Diesen Sinn heraus zu finden, ist für uns nicht immer leicht und erschließt sich oft erst im Rückblick. Aber gerade das Neue Testament bestärkt uns an vielen Stellen in dieser Sichtweise (2. Brief Korinther 1,3ff; 4,7ff; Jakobus 1,2-4; 1. Brief Petrus1,6-9, Epheser 1,24f). Es geht bei alledem um unser Wachstum im Glauben, um das Verwandeltwerden in Sein Bild und nicht zuletzt um die Verherrlichung unseres Gottes und Heilandes Jesus Christus (Judas 25).
Wenn wir dazu ein Ja finden, dann heißt das zunächst „drunter zu bleiben“ und auszuhalten. Es wird dadurch auch nicht alles sofort klar, aber vieles erträglicher werden. Diese Erfahrung wünsche ich Ihnen und mir in verstärktem Maße!
Herzliche Grüße
Ihr Karl- Heinz Pohle