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Lieber gläubiger Leser,
man kann diesen wunderbaren Ausspruch auch so übersetzen oder interpretieren, wie es z. B. die „Gute Nachricht“ oder ähnlich die „NeÜ“ tun: „Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben. Ich bin dir treu wie am ersten Tag.“ Welche Fassung wir auch bevorzugen mögen, wir werden hier Zeugen der wohl innigsten und „unglaublichsten“ Liebeserklärung, die man sich denken kann. Manch einer, der das liest, mag sich sehnlich solch einem Wort aus dem Munde eines ihm nahestehenden Menschen wünschen. Andere werden sofort abwinken, weil sie schon zu oft von großen Worten oder Versprechen enttäuscht worden sind. Ja, wir sind allzu vorsichtig geworden, unsere Liebe zu bezeugen und vielleicht noch mehr, sie vom anderen anzunehmen. Doch halt, wir sollten dieses Wort nicht so schnell auf unsere Ebene herab brechen, denn der hier spricht ist Gott, und wir wollen uns nicht eher in diesem Wort „sonnen“, bis wir auch ein wenig von der Tragweite und der „Kehrseite der Medaille“ erfasst haben. Letzteres wird uns vielleicht am besten bewusst, wenn wir die Kapitel im Propheten Jeremia 30 + 31 unter diesem Blickwinkel noch einmal lesen.
Die Betrachtung des Jeremiabuches in unserer Gemeinde ist noch nicht so lange her, und am stärksten ist bei mir die „Achterbahn der Gefühle“ zwischen Verheißung und Gerichtsandrohung von Kapitel zu Kapitel haften geblieben, die es uns nicht leicht gemacht hat, das Handeln Gottes zu verstehen und sogar beim Propheten eine Glaubenskrise auslöste (Jeremia Kap.15, 10-21). Hätte Gott mit Seinem Diener nicht liebevoller als mit den anderen umgehen müssen? Diese Frage erübrigt sich, wenn wir erkennen, dass Gott selbst am meisten unter dieser Situation leidet. Und so ist das Ganze eher eine Liebeserklärung unter Tränen. Hier werden Wesensarten und Eigenschaften Gottes sichtbar, die wir so nicht vermutet hätten und die uns manchmal recht menschlich vorkommen. Da ist einerseits die Härte, mit der ER gegen die vorgeht, die ER doch liebt. Man getraut sich kaum, in unserer Zeit darüber zu reden, dass man aus Liebe dem anderen auch wehtun kann, vielleicht sogar muss, wenn sonst nichts mehr hilft. Heute würde man nur jede Andeutung davon als Missbrauch brandmarken. Aber keine Erziehung einzusetzen und die Dinge laufen zu lassen, wie sie laufen, ist grausamer und verheerender. Selbst die Natur lehrt uns, wie nötig es ist, in den Selbstlauf einzugreifen, etwa beim Beschneiden der Bäume und Sträucher, beim Anbinden der Weinreben oder auch beim Zähmen der Tiere, um nur einige Beispiele zu nennen.
Gott muss sich nicht entschuldigen für das, was Er seinem Volk angetan hat, auch wenn das manchmal bis ans äußerste gehen kann (Jeremia Kap. 30, 12-15). Gott ist kein Sadist, der Freude am Leid der anderen hätte, sondern es dreht IHM förmlich das Herz im Leib herum, wenn ER Erziehungswege gehen muss (Jeremia Kap. 31, 20). Nicht nur damals bei seinem Volk Israel, sondern bei jedem Menschen. Diese Eigenschaft wird am deutlichsten in der Hingabe Seines Sohnes am Kreuz von Golgatha. Wenn es dazu im Propheten Jesaja Kap. 53, 10 heißt, dass es dem HERRN gefiel, Ihn zu zerschlagen, dann ist das nur zu begreifen mit dem Hinweis auf die unbegreifliche Liebe Gottes (Johannes-Evang. Kap. 3,16). Vielleicht hat sich Gott in den Stunden der Finsternis nicht nur deshalb von Seinem Sohn abwenden müssen, weil er für uns zur Sünde gemacht wurde, sondern weil Gott nicht mit ansehen konnte, was ER Seinem Sohn antun musste. Und was das Erstaunliche bei alledem ist: Gott will nicht nur die Schuld wegnehmen und den ursprünglichen Zustand wieder herstellen, sondern für das zu recht erlittene Leid sogar noch entschädigen mit einer Fülle an Segen, die keiner verdient hat. Auch das Verhältnis der Menschen zu IHM und untereinander will ER auf eine höhere Ebene heben: Jeder kann eine ganz persönliche Beziehung zu seinem Gott haben und die Grundlage dafür legt Gott, ohne Gegenleistungen zu fordern. Das ganze nennt sich neuer Bund (Vers 31), obwohl es eine einseitige Selbstverpflichtung Gottes ist. Aber, wohl gemerkt, das ist zunächst eine Verheißung an Sein Volk Israel, die sich bis heute auch noch nicht völlig erfüllt hat. Über Jesus Christus aber haben auch wir rechtmäßigen Zugang zu diesen Verheißungen erhalten (lies Hebräer-Brief Kap. 10, 11-18). Was wir aus alldem lernen wollen ist, dass wir bei Erziehungswegen Gottes oder anderen Beschwernissen in unserem Leben nicht die Liebe Gottes infrage stellen, sondern eher fragen sollten, was Gott damit bezwecken will und welche Hilfe Er dazu anbietet. Dann wird das sogar zu einer Quelle der Freude und Dankbarkeit werden. Das wünsche ich mir und Ihnen
Ihr Karl- Heinz Pohle