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Lieber gläubiger Leser,
im Gemeindebrief vom Januar hatte ich geschrieben: Mutiges, zielstrebiges Handeln beginnt mit mutigem Beten. Der neue Monatsspruch scheint das noch in eine bestimmte Richtung zu vertiefen, auch wenn das auf den ersten Blick gar nicht so aussieht. Wenn man das Geschehen im Zusammenhang liest, fällt einem eher die Sache mit der Verfluchung des Feigenbaums auf, die ich bis heute nicht völlig verstanden habe, oder die Tempelreinigung, über die schon so manches gesagt worden ist. Was hat das alles mit unserem Bibelwort zu tun? Ich will versuchen, eine Antwort zu geben. Wenn ich von mir ausgehe, muss ich zunächst einräumen, dass ich eine verkürzte Sicht vom Gebet habe. Natürlich sind die Gedanken nicht verkehrt, dass Beten zuallererst Pflege der Gemeinschaft mit Gott ist, im Nachdenken über Seine Größe und Seine unbegreifliche Liebe zu uns und unsere Antwort darauf. Auch das Bitten für uns und andere und all die geistlichen Anliegen ist nicht nur erlaubt, sondern angezeigt, denn wir werden dazu sogar aufgefordert.
Verkümmert ist eher die Sicht, dass bei dieser „Audienz“ auch Beauftragung an uns erfolgt. Heute bezeichnet man das meist als „hörendes Beten“. Unser Beten gleicht oft einer großen Wunschliste, die wir Gott zum Abarbeiten übergeben, ohne zu fragen, welchen Part wir dabei haben. Man muss nicht unbedingt ein Anhänger der „geistlichen Kampfesführung“ sein, um zu erkennen, dass es beim Beten um weit mehr geht, nämlich um einen Eingriff oder eine Auseinandersetzung mit den Mächten der Finsternis (Eph. 6, 10 - 13). Das Gebet ist also der vornehmliche Platz, wo dieser Kampf stattfindet. Aber eben nicht ausschließlich, weil es dafür „Vorbedingungen“ gibt, die wir manchmal zu wenig bedenken. Es geht um die Frage der Vollmacht. Ja, der Herr hat große Verheißungen auf das persönliche und das gemeinsame Beten gelegt, aber wir dürfen nicht nach Belieben damit umgehen. Auch die Formulierung „im Namen Jesu“ ist noch nicht die Garantie dafür, dass wir wirklich in Seinem Auftrag und in Seiner Gesinnung handeln (Lies dazu die Begebenheit in Apg. 19, 13 - 20).
Das aber ist Voraussetzung für erhörliches Beten. Wir sind wie Botschafter eines Staates in einem fremden Land, die zwar große Vollmachten und auch eine Immunität besitzen, aber eben nicht eigenmächtig handeln dürfen, sonst verlieren sie diesen besonderen Status.
Oft sind es gar nicht die „groben“ Sünden, die uns in dieser Hinsicht lahm legen, sondern Oberflächlichkeit, falsche Prioritäten oder oft auch ein gestörtes Verhältnis zum Nächsten, wie in unserem Bibelwort. Ist „etwas gegen jemandem zu haben“ denn wirklich so schlimm? Anlässe gibt es doch genug, und er muss doch deswegen nicht gleich mein Feind sein. Eine Parallelstelle in Mt. 5, 23 - 24 geht sogar noch weiter, wenn sie rät, uns mit dem zu versöhnen, der etwas gegen uns hat, ehe wir unsere Gaben zum Altar bringen (bei der Anbetung?).
Wir sollten also Störungen im mitmenschlichen Bereich, und dabei denke ich nicht nur an uns Christen untereinander, sondern an alle unsere Beziehungen, nicht verharmlosen. In dem Zusammenhang finde ich die Bezeichnung „Übertretungen“ sehr hilfreich. Ich musste dabei an einen Weitspringer denken, der alle Kraft und alles Geschick in seinen Sprung legt, vielleicht sogar einen weiten Satz macht, der aber nicht zählt, wenn er auch nur ein wenig übergetreten ist. So können Dinge wirken, die auf den ersten Blick als Bagatellen erscheinen. Der Feind wird immer nach Gründen suchen, um uns bei Gott anschwärzen zu können und uns aus dem Rennen zu nehmen (Offb. 12, 10).
Manche Ursachen dafür müssen wir selber aus dem Weg räumen, wie unser Monatsspruch zeigt. Immer aber brauchen wir die Rückendeckung durch unseren Herrn Jesus Christus. Vielleicht erscheint das manchem zu kompliziert und er denkt: Wieder etwas, was ich zu beachten habe! Aber es geht gar nicht darum, dass uns noch mehr aufgebürdet werden soll, sondern der Monatsspruch will uns helfen, die oft unterschätzten Möglichkeiten des Gebets besser in Anspruch zu nehmen.
Das wünsche ich zuallererst mir selbst und auch Euch allen. Mir fiel in dem Zusammenhang ein Lied von Otto Riethmüller ein, das auch in unserem Liederbuch steht, mit dessen ersten beiden Strophen ich Euch zum Schluss grüßen möchte:
Herr, wir stehen Hand in Hand, die Dein Hand und Ruf verband,
steh´n in Deinem großen Heer aller Himmel, Erd´ und Meer.
Welten steh´n um Dich im Krieg, gib uns Teil an Deinem Sieg.
Mitten in der Höllen Nacht hast Du ihn am Kreuz vollbracht.
Euer Karl-Heinz Pohle