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Juli 2016

Ich will meine ganze Schönheit vor dir vorüberziehen lassen und den Namen des Herrn vor dir ausrufen: Ich gewähre Gnade, wem ich will, und ich schenke Erbarmen, wem ich will.
                                                                                                             2. Mose 33, 19


Lieber Leser,

wenn es schon einem Mose, dem es wie kaum einem anderen geschenkt war, einen vertrauten Umgang mit Gott zu haben, ein Herzenswunsch war, seinen Gott auch sehen zu dürfen, dann müssen wir uns dessen nicht schämen, wenn solche Gedanken auch mal in uns aufkommen. Wir sind Geschöpfe von Fleisch und Blut und von daher sehr auf unsere Sinne angewiesen. Und ursprünglich war der unkomplizierte Umgang mit dem Schöpfer Normalität (1. M. 3, 8).
Dass es heutzutage unmöglich ist, hängt mit der Sünde zusammen, auch wenn Gott keine detaillierte Begründung dafür gibt, warum das nicht geht. Die Sehnsucht danach ist jedoch geblieben und sie ist auch legitim, wenn es nicht nur um „Sensationshascherei“ geht. Bei der Schwere seiner Aufgabe war es für Mose unabdingbar, Zeichen der Gegenwart Gottes und Seines Mitgehens wahrzunehmen und zu erleben. Wenn das auch die Motive für unsere „Wünsche“ sind, wird Gott einen Weg finden, uns in Seiner Weise entgegenzukommen.
Auch so setzt Gott schon alles für uns in Bewegung. Mose hatte ja die Zusage, dass Er Seinen Engel vor ihm her senden würde (V. 2) und auch heute setzt der Herr Seine Diener für die ein, die „die Seligkeit ererben sollen“ (Hebr. 1, 14). Das dankbar zu erkennen, ist schon viel wert, ersetzt aber nicht die persönliche Verbindung zu unserem Vater im Himmel und unserem Herrn Jesus Christus.

Wie offenbart sich nun aber Gott konkret, damals wie heute? Indem Er uns Wesentliches von Seinen Eigenschaften erkennen und erleben lässt. Vielleicht stolpern wir in dem Zusammenhang an dem Begriff „Schönheit“, den die Einheitsübersetzung hier verwendet, während die meisten Übersetzer von „Güte“ sprechen. Beides hat sicher seine Berechtigung. Mir persönlich ist das mit der Schönheit schon eine Hilfe, denn mir fehlt die Vorstellungskraft, wie das aussieht, wenn die Güte vorüberzieht. Vielleicht so wie bei Elia am Berg Horeb, wo Gott sich ihm nicht im Sturm, auch nicht im Erdbeben und auch nicht im Feuer zeigte, sondern in einem leisen, sanften Säuseln?
Was entfesselte Naturgewalten zustande bringen können, haben wir ja gerade in letzter Zeit erlebt, und natürlich ist das eine Möglichkeit, wie Gott sich bezeugen und „reden“ kann. Aber das ist nicht seine vorrangige Art. Ja, Er will uns einen ganz neuen Blick auf Seine Schönheit, Pracht, Hoheit, Herrlichkeit schenken, die schon in dem Geschaffenen bis heute sichtbar ist, aber noch deutlicher in der Person Jesu Christi zum Ausdruck kommt. Wir haben ja oft so ein verkürztes Bild von Gott als dem , der Sünde nicht dulden kann, der Rächer und Richter ist, und die Bilder die uns die Medien vom Göttlichen vermitteln, tun da noch ihr übriges oder sie ziehen es ins Lächerliche. Da kann schon mal der Gedanke aufkommen, ob wir vielleicht auch enttäuscht sein könnten, wenn wir Ihm gegenüberstehen, weil wir uns Ihn ganz anders vorgestellt haben. Sicher wird unser Bild von Ihm gewaltig korrigiert werden, aber Er wird für uns kein ferner, fremder Gott sein, wenn wir Ihn hier durch Jesus Christus als unseren Vater und unseren Erbarmer kennengelernt und mit Ihm gelebt haben. Und es ist ja nicht so, dass Gott sich nicht deutlich zu erkennen gegeben hätte.

Jesus hat gesagt: „Wer mich sieht, sieht den Vater“ (Joh. 14, 9). An Seiner Art, Seinem Reden und Handeln, besonders an Seinem stellvertretenden Opfer für uns können wir ablesen und persönlich erfahren, wie Gott ist. Im Alten Testament war dieses Bild von Gott noch nicht so deutlich ausgeprägt, aber schon damals spricht Gott von „Gnade“ (was ich als unverdiente Zuwendung bezeichnen möchte) und „Erbarmen“ (Hilfeleistung aus mitfühlendem Herzen). Auch wenn beim Ausrufen Seines Namens nochmals die ganze Souveränität Gottes deutlich wird („wem ich will“) und Anklänge an Sein „Ich bin der Ich bin“ sicher gewollt sind, geht das über das bisher von sich Offenbarte hinaus und eine ganz andere Art von „Schönheit“ und Herrlichkeit wird sichtbar. Beidem dürfen auch wir nachspüren: Seiner herrlichen Größe und Genialität, die zuallererst in der Gestaltungsvielfalt, Farbigkeit und Präzision der Schöpfung wahrzunehmen ist, aber auch der Unvergleichlichkeit Seines Wesens, die sich am deutlichsten in der Hingabe Jesu Christi für schuldig gewordene, gescheiterte Existenzen zeigt.
Wenn es unser Wunsch ist, von alldem mehr zu erkennen, in uns aufzunehmen und möglichst wiederzuspiegeln, dann ist das gut.

Euer K.H. Pohle