‹ Juni 2016 - Christen in Chemnitz, Sachsen informieren - christen.ws

christen.ws

Sie sind hier: Archiv / Herrnhuter Monats-Losungen / 2016 / Juni 2016

Juni 2016

Meine Stärke und mein Lied ist der Herr, er ist für mich zum Retter geworden.                         

                                                    2. Buch Mose Kap. 15 Vers 2

Lieber gläubiger Leser,

das hat sicher jeder von Ihnen schon einmal auf persönlicher Ebene erlebt: Eben noch unter Druck, weil sich trotz Betens für ein bedrängendes Problem kein Ausweg erkennen ließ, und dann auf einmal eine unerwartete, manchmal sogar wundersame Wendung und Lösung. So erging es buchstäblich dem Volk Israel beim Auszug aus Ägypten, als es am Schilfmeer wie in eine Falle vor seinen Feinden geraten war. Und dann wurde es Augenzeuge und aktiver Teil eines fast unglaublichen Rettungsplanes Gottes, der nicht nur die Abwendung der Gefahr zum Ziel hatte, sondern auch von der konkreten Angst und deren Ursache befreite (Kap. 14). So etwas vergisst man nie, oder? Auf jeden Fall ist es ein Grund zum Jubeln und zu großer Dankbarkeit. Wenn es überdies gar eine gemeinschaftliche und nicht nur eine persönliche Erfahrung ist, dann wirkt das geradezu ansteckend. Dann findet man besondere Worte und da können auch neue Lieder entstehen, wie Erweckungsbewegungen und geistliche Aufbrüche immer wieder gezeigt haben.

Solche Erfahrungen wünschte ich mir persönlich, aber auch für uns als Gemeinde, viel öfter. Vorgegebene „Normen“ oder die Angst vor „Schwärmerei“ können daran hindern, uns da hinein zu begeben. Die Bibel kennt durchaus eine positive Begeisterung (vergl. 1. Buch Chronika Kap. 15). Sie darf aber nicht das Einzige bleiben, sonst kann sie sehr schnell zum Strohfeuer werden. Ich habe mich sowieso gefragt, warum dieses wunderbare Lied, dem obige Zeile entnommen ist, nicht als das eigentliche „Lied des Mose“ in die Bibel eingegangen ist, sondern Gott selbst nach weniger als 40 Jahren ein Lied ganz anderen Inhaltes diktieren musste (5. Buch Mose Kap.32). Aber das Hochgefühl vom Schilfmeer war schon viel früher abhanden gekommen. Kleinere und größere Unwägbarkeiten genügten, um ins Unzufriedensein und Murren zurückzufallen. Was könnten die Ursachen dafür sein? Sie hatten trotz der wohlgeformten Worte im Grunde nicht begriffen, aus welch prekärer Lage sie gerettet worden waren. Schon beim Aufbruch aus der Sklaverei in Ägypten. War es dort wirklich so schlimm? Es ist typisch, dass man sich eher an das erinnert, was angeblich gut war (4. Buch Mose Kap.11, 4-6). Und auch jetzt am Schilfmeer: Hatten sie nicht vor Angst geschrien? Und es wäre tatsächlich ihr Todesurteil gewesen, wenn Gott nicht eingegriffen hätte! Das kann uns heute auch passieren, dass wir die Vergangenheit verklären, auch die Zeit ohne Gott, weil wir die Ausweglosigkeit unserer Lage, aber auch den unbegreiflichen Aufwand Gottes zu unserer Rettung nicht wirklich für uns persönlich verinnerlicht haben. Das ist nämlich das andere Phänomen, dass man das alles miterlebt haben kann, auch von Herzen in die Danklieder mit einstimmt, aber beim Umsetzen ins eigene Leben Schwierigkeiten hat. Mir ist aufgefallen, dass es in dem kurzen Monatsspruch dreimal „meine, mein, mich“ heißt. Ich darf und sollte das also immer wieder ganz persönlich für mich in Anspruch nehmen. Das geht sicher damit los, dass ER für mich zum Retter geworden ist (auch wenn das hier im Nebensatz steht). Daran sollten wir uns immer wieder erinnern und es zum Ausdruck bringen. Nicht nur in den Anbetungsstunden, sondern gerade auch in den schwierigen Situationen. Das nächste ist das Bekenntnis, dass der HERR meine Kraft ist. Das ist gar nicht so einfach, wie es aussieht, weil das einerseits das Eingeständnis ist, dass ich hilfsbedürftig bin, und eben nicht der große „Macher“. Zum anderen setzt es voraus, dass ich weiß, wovon ich rede, also dass ich im Gedächtnis behalte, wo und wie ich Seine Kraft erfahren habe. Zwar leben wir als Kinder Gottes permanent von Seinen Zuwendungen, aber sich das bewusst zu machen und davon zu reden, ist nicht selbstverständlich und bedarf vielleicht eines Willensentschlusses.

Ob der Herr auch mein Lied ist, muss sich wohl jeder persönlich fragen und Antwort geben. Vielleicht ist es gut, dass diese Aussage erst an zweiter Stelle steht, weil wir sicher alle schon die Erfahrung gemacht haben, dass das nicht nur eine Frage des Willens ist. Schon Salomo hat zum Ausdruck gebracht, dass „alles seine Zeit“ hat (Buch Prediger Kap. 3,1-8). Es kann also wirklich Zeiten geben, wo uns nicht zum Singen zumute ist oder es uns zumindest schwerfällt. Wenn es einzelne Christen dennoch gewagt haben, sind meist besonders wertvolle Lieder und Texte daraus entstanden (Paul Gerhard, Jochen Klepper u.a.). Es mag aber auch ganz natürliche Gründe geben, z. B. eine unterschiedliche Begabung oder auch eine körperliche Verfassung, die so manches einschränkt. Bei mir, der ich von klein auf sehr gerne gesungen habe, machen seit einiger Zeit die Stimmbänder nicht mehr so recht mit. Aber dann haben wir immer noch die Möglichkeit, die uns die Briefe an die  Epheser Kap. 5, 19 oder Kolosser Kap. 3, 16 aufzeigt, und die keineswegs eine „Verlegenheitslösung“ sein muss: „“Singet und spielet dem HERRN in euren Herzen“. Ob so oder so, wir wollen uns gegenseitig Mut machen, öfter zu bekennen, was der HERR für uns bedeutet.

In diesem Sinne herzliche Grüße und Gottes Segen,

Ihr Bruder Karl- Heinz Pohle