‹ Oktober 2016 - Christen in Chemnitz, Sachsen informieren - christen.ws

christen.ws

Sie sind hier: Archiv / Herrnhuter Monats-Losungen / 2016 / Oktober 2016

Oktober 2016

Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.

                          2. Brief an die Korinther Kap. 3 Vers 17

Lieber gläubiger Leser,

mit diesem Satz hat uns der „liebe Bruder Paulus“ kein so leichtes Erbe hinterlassen, das man einfach auf Anhieb erfassen und für sich in Anspruch nehmen kann. Ich jedenfalls habe mit den beiden Kernbegriffen „Geist des Herrn“ und „Freiheit“ so meine Probleme. Wenn es im ersten Fall um die Person Gottes geht, gar noch um die Dreieinheit, da merkt man, wie wenig man letztlich noch von Ihm weiß. Hier ist man auf das angewiesen, was Gott selbst von sich offenbart hat, und alle Spekulationen sind fehl am Platze. Und beim Thema Freiheit ist es die Vielzahl der Gesichtspunkte und Deutungsmöglichkeiten, die uns das richtige Verstehen erschwert. Das mag einer der Gründe sein, warum ich mich bis jetzt noch nicht ausgiebig damit befasst habe. Ein anderer ist, dass das für mich nie ein heißes Thema war. Hier spielt Charakter und Erziehung, aber auch gesellschaftliche Beeinflussung ohne Zweifel eine Rolle. Uns wurde z. B. in der Schule gelehrt: Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit. Das will ich jetzt nicht näher ausführen, aber es macht deutlich, wie nötig es ist, zu klären, was wir unter Freiheit verstehen.

Wenn man hierzu das Internet zu Hilfe nimmt, erhält man die Definition: Freiheit ist die Möglichkeit, ohne Zwang zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten auszuwählen und zu entscheiden (Wikipedia). Es wird aber auch darauf verwiesen, dass dieser Begriff eine psychologische, soziale, kulturelle, religiöse, politische und rechtliche Dimension hat. Auch wenn vieles davon miteinander verwoben sein mag, ist es gut, sich bei unseren Überlegungen auf die Aspekte des Glaubens zu beschränken.

Und da werden wir merken, dass hier der Schwerpunkt etwas anders liegt. Wohl erkennen wir auch hier, mit wie viel Entscheidungsfreiheit Gott den Menschen ausgestattet hat, die sogar soweit geht, dass er sich auch gegen Ihn entscheiden kann. Das ist zwar keine absolute Freiheit, die es auch gar nicht geben kann, weil das Geschöpf immer von seinem Schöpfer und von den Umständen, in denen es lebt, abhängig sein wird. Aber es ist erstaunlich, wie viel Spielraum hinsichtlich Kreativität, Entfaltungsmöglichkeit und Verantwortungsbewusstsein Gott dem Menschen anvertraut hat. Dem gegenüber stand nur ein Verbot, an dem sein Vertrauen zu Gott erprobt werden sollte (lies 1. Buch Mose  Kap. 2).

Doch die eigentliche Freiheit sehe ich in dem ungezwungenen und ungetrübten Umgang mit seinem Schöpfer. Wir wissen, dass dieser Zustand durch den Freiheitsdrang und das Unabhängigkeitsstreben des Menschen sehr bald verspielt wurde. Misstrauen, Existenzangst, Egoismus und immer neue Schuld bestimmten fortan sein Leben. Aber das Unbegreifliche ist, dass Gott trotz aller Gerichts- und Erziehungswege Seine geliebten Menschen nie ganz fallen gelassen hat. Auch nie Seine vielfältigen Bemühungen, sie zu retten und in die Gemeinschaft mit Gott zurück zu bringen. Die in der Bibel bezeugte Heilsgeschichte mit einzelnen Menschen und Seinem Volk Israel ist ein beredtes Zeugnis davon. Da das alles (noch) nicht zu dem angestrebten Ziel führte, beschritt Gott einen ganz neuen, einmaligen Weg: Er selbst erfüllte die berechtigten Forderungen an die Menschen, indem Er alle Schuld, alle Rebellion, alles Versagen auf Seinen Sohn Jesus Christus legte und Ihn stellvertretend für sie sterben ließ. Er zwingt allerdings auch jetzt niemanden, das für sich persönlich anzunehmen. Das ist auch Freiheit, wenn auch eine gefährliche.

Eine ganz andere Art von Freiheit erleben die, die sich auf das Angebot Gottes einlassen. Sie erfahren, was es heißt, nicht mehr wie ein Sklave der Sünde dienen zu müssen. Auch die Furcht vor dem Tod und dem Gericht Gottes bestimmt nicht mehr ihr ganzes Leben. Aber was noch unbegreiflicher ist: Die Motivation für das neue Leben leitet sich nicht zuerst von den Gesetzen und Forderungen Gottes ab, sondern davon, dass Er durch Seinen Geist in ihnen Wohnung genommen hat. Diese Freiheit (griechisch: parrhesia) meint nicht die Möglichkeit, tun und lassen zu können, was man will, sondern das wiederhergestellte, ungetrübte Verhältnis zu Gott, frei von künstlichen Begrenzungen. Man kann es auch mit Offenheit und Freimütigkeit (nach innen und außen) umschreiben, wie es in der Bibel oft getan wird. Die Frage, ob das nicht der Willkür und dem Missbrauch Tür und Tor öffnet, erübrigt sich, weil das neue Leben Werk oder Frucht des Heiligen Geistes ist. Aber wie geschieht das? Paulus sagt: Indem wir uns der Herrlichkeit des Herrn aussetzen, sie immer wieder anschauen und widerspiegeln, werden wir selber verwandelt (Vers 18). Da uns das Bild vom Spiegel vielleicht nicht sofort eingeht, ist mir dazu ein Beispiel aus der Praxis in den Sinn gekommen, das ich mal im Fernsehen gesehen habe: Ich weiß keine Einzelheiten mehr. Aber da war ein Ort in den Bergen, der so eingekeilt lag, dass das Sonnenlicht keine Chance hatte, auf normalem Weg hinein zu gelangen. Um dem abzuhelfen, wurde an exponierter Stelle ein großer Spiegel errichtet und so ausgerichtet, dass das Sonnenlicht gezielt in den Ort reflektiert wurde. Der Erfolg war verblüffend. Auch wenn mit diesem Beispiel und mit dem vorher Gesagten nicht alle Fragen beantwortet sind, hilft es mir persönlich doch, schwierige geistliche Zusammenhänge besser zu verstehen. Ihnen hoffentlich auch. Ich wünsche es Ihnen jedenfalls!

Für heute herzliche Grüße

Ihr  Karl- Heinz Pohle