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Auf Dein Wort will ich die Netze auswerfen.
Lukas- Evangelium Kap. 5, Vers 5
Lieber gläubiger Leser,
uns, die wir uns in der Bibel einigermaßen gut auskennen, fällt es trotz der Kürze der Aussage sicher nicht schwer, diesen neuen Monatsspruch richtig einzuordnen. Vielleicht steht uns auch sofort die Hinter-grundgeschichte dazu vor Augen, ohne dass wir sie erst nachlesen müssen. Wie mag es aber jemandem gehen, der das zum ersten Mal hört? Kommen da nicht solche Fragen auf, wie: „Wer ist es, der hier mit Du angesprochen wird. und in welcher Situation befindet sich der Redende?“ und „Was hat es mit den Netzen auf sich?"
Aber ich denke, dass es auch uns nicht schadet, solche Fragen immer wieder neu zu stellen. Ich hätte mir gewünscht, dass der erste Halbsatz, der eigentlich untrennbar zu diesem Wort gehört, mit dazu genommen worden wäre, weil er uns ein gutes Stimmungsbild vermittelt. Aber vielleicht war es die Absicht, den Fokus stärker auf das Positive zu richten. Wir befinden uns in den Anfängen des öffentlichen Wirkens Jesu. Noch hat sich kein fester Jüngerkreis etabliert, aber die unterschiedlichsten Leute folgen Ihm, weil sie bereits Zeichen Seiner Vollmacht in Wort und Tat erlebt hatten. Auch der Fischer Petrus und seine Kollegen gehören dazu. Gerade waren sie von einer ergebnislosen Nachtschicht auf dem See Genezareth nach Hause gekommen. Dass sie sich nicht enttäuscht zurückzogen, sondern weiter „dranblieben“, ist ihnen hoch anzurechnen. Wir Menschen neigen ja dazu, in solchen Augenblicken gleich alles in Frage zu stellen und meist ist auch die Suche nach der Ursache oder Schuld sofort da. Das mag in vielen Fällen seine Berechtigung haben, aber manchmal hat Gott einfach nur andere Absichten als wir (vergl. Joh.-Evang. 9, 3).
Ich kann hier jedenfalls kein Fehlverhalten vom Petrus erkennen. Bei einer ähnlichen Situation nach Tod und Auferstehung Jesu hingegen darf man schon fragen, ob es richtig war, wieder in den alten Beruf zurück zu gehen (Joh.-Evang. 21, 3). Selbstprüfung ist also sicher gut, aber sie darf nicht dazu führen, sich in sich selber zurück zu ziehen. Gerade da braucht man die Gemeinschaft mit den anderen und mit dem HERRN selbst. Und man braucht ein neues „Erfolgserlebnis“, oder besser gesagt eine „Glaubenserfahrung“. Die bereitet der Herr Jesus hier in einzigartiger Weise vor, aber es ist an Petrus (und heute an uns), sich darauf einzulassen, denn es gibt da durchaus widerstreitende Erfahrungen oder Gefühle, die uns daran hindern wollen. Dabei geht es nicht vordergründig um die Anhebung des „Selbstwertgefühls“ (das war bei Petrus gerade ganz unten), sondern um eine realistische Sicht über die Machtverhältnisse. Das war nicht nur für die Bewältigung der gegenwärtigen Situation sehr wichtig, sondern auch für seinen künftigen Dienst als „Menschenfischer“, zu dem ihn Jesus berufen wollte, also Menschen wieder in eine lebendige Verbindung zu Gott zurück zu führen.
Auch da würden Erfahrungen der Enttäuschung, der Ohnmacht und des Selbstzweifels nicht ausbleiben, aber gerade dafür hat der HERR Seine Nähe und Seine Hilfe zugesagt (Matth.-Evang. 28, 18). Es geht auch sicher nicht darum, immer wieder einmal vor Augen geführt zu bekommen, was für Stümper wir doch sind. Ich bin überzeugt, dass Petrus schon beim ersten Fischzug richtig und überlegt gehandelt und auch sonst alles eingebracht hat, was ihm zur Verfügung stand. Es ist auch heute nicht falsch, gut zu überlegen oder Strategien zu entwickeln, vor allem auch die Kräfte entsprechend den Gaben einzusetzen, aber das Entscheidende scheint mir das fast unscheinbare „auf dein Wort hin…“ zu sein. Ich denke, dass es schon ein Unterschied ist, ob ich „nur“ um eine allgemeine Berufung zum Dienst weiß, oder einen konkreten Auftrag vom HERRN empfangen habe, der auch seine Bestätigung durch die Gemeinde findet. Und es ist entscheidend, ob wir uns bei allem Tun und Denken bewusst an Sein Wort binden. Das Wort, das nicht nur tröstend, heilend und zurechtbringend ist, sondern auch die Welten ins Dasein gerufen hat und uns eines Tages mit Macht aus dem Grab herausrufen wird.
Wir haben, wenn Sie diesen Brief lesen, bereits das neue Jahr begonnen. Das ist meist eine Zeit, wo in der Gesellschaft, in den Betrieben, im Privaten und nicht zuletzt auch in der Gemeinde Bilanz gezogen wird. Je nach den konkreten Gegebenheiten oder dem Blickwinkel kann diese sehr unterschiedlich ausfallen. Es wäre falsch, alles in einem rosaroten Licht erscheinen zu lassen. Neben vielen guten Erfahrungen, wie z.B. bei der Bibelausstellung in der Johanniskirche, hat es sicher auch manche Enttäuschungen, manch schmerzlichen Verlust im persönlichen Leben und in der Gemeinde gegeben. Vielleicht sind wir hier und da auch schuldig geworden. Dem HERRN ist es wichtig, dass wir nicht dabei stehen bleiben, sondern es mit Seiner Hilfe und im Miteinander aufarbeiten, aber auch Seine Beauftragung neu hören und annehmen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gesegnetes neues Jahr 2017.
Ihr Glaubensbruder Karl- Heinz Pohle